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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze
Autoren: Dietmar Bittrich
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gebogenen Silberstangen. Jemand hatte sie in der Bewegung angehalten, bei einer gradgenauen Venus-Mars-Konjunktion.
    »Was heißt ›indirekt‹?«, schürfte Josephine.
    »Na ja, sie hat nicht selbst geschrieben.«
    »Sondern hat jemand anders schreiben lassen?«
    »Das kann man so sagen. Per Zustellungsurkunde. Ich bekam Post vom Jugendamt.«
    »Um Gottes willen!«, rief sie ehrlich entsetzt. »Wegen Missbrauchs einer Minderjährigen?!«
    Am Ende der endlosen Zimmerflucht, deren Türrahmen ineinandergeschachtelt schienen wie in einem Lehrbuch für Perspektive, regte sich ein Schatten.
    »Sie war doch gar nicht minderjährig«, zischte ich. »Sie war achtzehn und kurz vor dem Abitur.«
    Jetzt tauchte am Ende der Räume ein Kopf auf, das schlafmüde Gesicht eines Wärters. Theatralisch nickte ich ihm über die fünfzig Meter zu, deutete schuldbewusst einen Diener an und winkte besserungswillig. Hier war alles in Ordnung. Kein Grund zur Sorge. Das Gesicht verschwand.
    »Lass uns noch einmal zu den ungleichen Paaren gehen«, drängte ich. »Mir fehlt noch etwas.« Ich legte die Hand von hinten auf ihr Sakral-Chakra und schob sie sachte voran.
    Sie schüttelte mich ab. »Jetzt gib mal Ruhe. Was wollte das Jugendamt?«
    »Ach, überhaupt nichts.« Spielten diese Nebensächlichkeiten noch eine Rolle? »Ich sollte lediglich meine Vaterschaft anerkennen.«
    »Ich glaube es nicht!« Bei diesem Schrei war es nun endgültig vorbei mit dem Schlaf des Wärters. Schade, dass sie so wenig Rücksicht auf Alte und Gebrechliche nahm.
    »Wir gehen jetzt mal ganz schnell hier raus«, beschloss ich. »Nur noch zu den Paaren. Ich möchte was überprüfen. Und doch, ja, Theresa ist die Mutter meiner Tochter. So einfach ist das.«
    »So einfach! Und du hast sie nie wiedergesehen?«
    Nicht so richtig. Theresa war damals offensichtlich zurückgekehrt zu ihrem Freund. Vielleicht sogar am selben Abend. Womöglich hatte er sich nie von ihr getrennt. Sie hatte nur ein Abenteuer erleben wollen mit einem Freizeitmönch, der sich für diszipliniert hielt. Oder sie wollte, dem Plan der großen Göttin gemäß, schwanger werden. Jedenfalls heiratete sie jenen Freund, einen Handwerker aus dem Nachbardorf mit gleichem Background, gleicher Idee von Zukunft, gleichen Vermögensverhältnissen, und ziemlich pünktlich wurde die Ehe mit einer Tochter gesegnet.
    »Dann weißt du ja gar nicht, ob sie von dir ist!«
    Wir waren in einen prunkvollen Spiegelsaal gelangt. Rot, Weiß, Gold. Ein Gewimmel von Stuck an Wänden und Decken. Hier war einst musiziert und getanzt und gefeiert worden. In der dämmerigsten Ecke hatte jetzt der Wärter seinen gepolsterten Schlafplatz. Bei unserem Eintreten war er aufgestanden und schlich nun schicksalsergeben auf und ab.
    Ich senkte die Stimme: »Ihr Freund konnte keine Kinder bekommen. Das wusste sie. Sie hat es mir damals nur nicht gesagt. Später hat sie mir sogar einen Gentest an geboten; aber ich wollte nicht hasenfüßig erscheinen. DemFreund oder Mann gefiel das Kind. Er liebte es. So hat sie es am Telefon dargestellt. Der Familie gegenüber haben sie dichtgehalten, und ein zweites haben sie nicht bekommen. Meine monatlichen Beiträge steigerten sich Jahr für Jahr, und als die Tochter jenseits der zwanzig war, ist sie angereist gekommen. Mit einem Album afrikanischer Bewerber.«
    Der Saal wurde von weißen Doppelsäulen gerahmt, zwischen denen marmorbleiche Fruchtbarkeitsgöttinnen nach antikem Vorbild uns segneten. Aus den Wandpfeilern wuchsen, plastisch vom Nabel an aufwärts, in Gips modellierte nackte Knaben, bereit zur Unterhaltung gelangweilter Touristinnen. Im Zentrum der mächtigen Stuckdecke prunkte ein ungleiches Paar. Umgeben von geweißten Fruchtkörben, Blumengirlanden, Efeuranken räkelten sich die beiden mit gelockerten Lendentüchern. Sie hatten offenbar eben ihr Liebesspiel unterbrochen und wollten es – sobald der Wärter sich schlafen gelegt hatte – neckend und kichernd fortsetzen. Der Stukkateur hatte es fertiggebracht, ein Bein des Mannes und eines der Frau, jeweils halb aufgestellt, von der Decke aufreizend in den Raum ragen zu lassen.
    »Poseidon und Amphitrite«, las ich von einer Tafel und ergänzte schöpferisch: »Hier steht, er sei fünfundzwanzig Jahre älter gewesen als sie. Und, aha, sie hatten drei Kinder.«
    Josephine, den Kopf in den Nacken gelegt, studierte die anmutige Göttin: feste Schenkel, schlanke Taille, kecke Brust. Der Mann wirkte ein wenig müder, war für sein Alter
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