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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze
Autoren: Dietmar Bittrich
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machen!«
    Jetzt lachte sie. Immerhin! Und was für ein Blitzen war das gleich! Es brachte den dürftigen Filialraum zum Strahlen. »Ich dachte, du wolltest mir Meditieren beibringen?«
    »Auch das, alles ist möglich«, begeisterte ich mich. »Es gibt sogar eine Meditation im Gehen, wenn wir beides verbinden wollen. Klassisch ist natürlich das stille Sitzen. Wir können in die Abteikirche hochgehen, die ist jetzt leer. Die Atmosphäre ist gut dort. Besonders in der Seitenkapelle. Habe ich vor ein paar Tagen getestet. Da schwebt eine energetisch hoch aufgeladene Stille.«
    »Na schön. Ich muss eh mal auf andere Gedanken kommen.«
    Sie nahm ihre weiße Latzschürze ab. Am Dienstag hatte sie das im Verborgenen getan, im verdunkelten Büroraum hinter dem Laden. Ich hatte sie im Bäckereikittel verschwinden und im Mantel hervorkommen sehen. Jetzt, so schien es – oder war ich verblendet durch die lange Entsagung? – jetzt streifte sie vor mir die Kleidung ab. Es war nur eine Polyesterschürze mit dem unromantischen Aufdruck der Bäckerei; darunter trug sie noch einen Wollpullover.Und doch war es ein Ausziehen. Ich starrte auf ihre Brüste und schluckte. Aufstand des Sakralzentrums gegen Licht und Vergeistigung. Ich musste mir dringend die Haut wegdenken.
    Sie schien meinen Blick misszuverstehen. »Ich weiß, ich sehe ein bisschen kaputt aus«, seufzte sie und packte ihre Taschen. »Melancholisch, hast du gesagt. Ja. Das stimmt.«
    »Wieso das?« Es war enorm schwierig, sich einfach nur Schädelknochen und Muskelfasern vorzustellen. Zumal sie sich ganz real die Augen wischte.
    »Mein Freund will sich von mir trennen, das ist der Grund.«
    »Aber warum das denn?«, rief ich entgeistert. Es schien völlig unbegreiflich, dass man sich jemals von so einem Wunderwesen trennen könnte. Wie sollte das überhaupt durchführbar sein? Mit therapeutischer Hilfe? Mit Gefährten, die einen an den Mast des Schiffes banden, das einen forttrug? Oder an den Stromabnehmer des Zuges?
    Allerdings, dass sie bereits einen Freund hatte, war jenseits meiner Vorstellungskraft gewesen. Etwas schnöde Ernüchterndes ging von dieser Mitteilung aus. Was mochte das für ein Tölpel sein? Hatte sie etwa mit ihm geschlafen? Das war doch hoffentlich streng verboten hier, in dieser katholisch durchtränkten Region!
    »Erzähl mir von ihm«, brachte ich mechanisch heraus. Ich registrierte eine Beruhigung des Sakralzentrums. Das war ein Zeichen meiner höheren spirituellen Entwicklung. Schade eigentlich. Ganz von selbst stellte sich das vorgeschriebene Desinteresse ein.
    »Aber nicht hier«, sagte sie.
    »In der Abteikirche?«
    »Die ist zu kalt. Ich würde lieber einen Tee trinken.«
    »Dann gehen wir in den Pelikan «, schlug ich vor. Mir war es recht, dass die Sache auf ein neutrales Gespräch hinauslief und jede erotische Beimischung sich verflüchtigte. Das war mein Verdienst. Ich hatte der Versuchung widerstanden. Von dieser Begebenheit konnte ich Pater Felix mit berechtigtem Stolz erzählen.
    Sie stand im Mantel hinterm Tresen, die Kasse war geleert, der Plunder gepackt. Wir konnten gehen. Doch sie überlegte noch. Ich ließ sie schweigen.
    Dann gestand sie: »Ich war gestern am Bahnwärterhaus.« Und weil ich sie mit großen Augen anstaunte, erklärte sie: »Gestern ist Ware gekommen. Wir bestellen immer ein paar Paletten gemeinsam mit dem Pelikan und teilen sie dann auf. Deshalb war ich hier. Und weil noch Zeit blieb, habe ich einen Spaziergang gemacht und habe mir gedacht: Schau mal, ob der Typ wirklich still sitzt und meditiert. Ja, und so war es. Respekt! Ich habe eine ganze Weile durchs Fenster gesehen. Du hast dich kein bisschen bewegt!«
    Was für eine Wende! Zu rasch für einen langsam atmenden Mönch.
    »Also, das heißt: Ich koche für uns einen Tee?«, forschte ich eingeschüchtert.
    »Ja, aber wir gehen besser nicht zusammen hin«, bat sie. »Hier haben die Häuser Augen, und die Gerüchte sind schneller als die Wahrheit. Du gehst voraus. Ich fahre die Straße hoch wie immer. Nur parke ich den Wagen oben am Soldatenfriedhof und steige dann den Waldpfad hinunter. Dann komme ich ziemlich genau hinterm Haus aus dem Hang. Lange dauert das nicht. Du kannst schon das Wasser aufsetzen und ein bisschen aufräumen.«
    Aufgeräumt habe ich schon, konnte ich mir knapp verkneifen. Als sie den Laden verschlossen hatte und durch die laue Luft zu ihrem Wagen ging – nun ohne mich zu beachten –, verliebte ich mich in ihren Gang, in die zierlichen
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