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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze
Autoren: Dietmar Bittrich
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Füße in flachen Schuhen. Fehlte nur ein Strohhut mit bunten Bändern, dann hätte sie in die mittags warme Blumenwiese springen können wie die Ringelreihenmädchen in alten Liederbüchern. Eigentlich reichte das schon. Dieses Anwehen von Leichtigkeit und Wärme und Blütenduft. Das war es. Mehr hatte ich gar nicht gewollt.
     
    »Aber es ist nicht dabei geblieben«, sagte Josephine, als wir durch die Flure des Schlosses wanderten. »Weil es ihr nicht genügte.«
    »Oder weil das Leben etwas anderes geplant hatte«, sagte ich.
    »Auf jeden Fall bist du völlig unschuldig«, stellte sie fest.
    »Das versteht sich von selbst. Es ist doch so: Du kannst planen, was du willst, das Leben weiß es besser! Es ist schlau und erfinderisch, es liebt die ungleichen Paare und trickst herum und bringt sie zusammen, mitunter gegen alle Wahrscheinlichkeit und notfalls auch gegen ihren Willen. Es ist der Großmeister aller Puppenspieler.«
    »Ja, ja, sicher.«
     
    Während ich im Teetopf rührte, erschien Theresa am Küchenfenster, aufgeregt und zappelig. Sie machte vor, wie ich ihr öffnen sollte – rasch und kurz, die Tür nur zwei Handbreit, damit sie ungesehen hereinschlüpfen konnte. Niemand sollte Zeuge sein. Aber wie auch? Es hätte jemand schon sehr gezielt das Fernglas aufs Häuschen richtenmüssen, drüben vom Hochsitz am Waldrand oder aus einem der hundert Fenster des Klosters.
    »Oh, wie gemütlich!«, rief sie, und es klang ehrlich, obwohl dieses Wort allenfalls auf die Kerzenstummel zutreffen konnte, die ich unter der Spüle gefunden hatte. Die übrige Inneneinrichtung zwang unvermeidlich dazu, die Augen zu schließen und Zuflucht in buddhistischer Versenkung zu suchen.
    »Der Tee ist gleich fertig, und wenn du magst, erzähl von deinem Freund. Warum will er sich trennen? Aber wenn du nicht willst, lass es.«
    Sie setzte sich auf mein Meditationskissen, hüllte sich in die muffige Wolldecke, die ich vom Zen-Haus mitgebracht hatte, und begann eine Geschichte zu erzählen, die bald zu weitschweifig wurde und zu viele Namen enthielt. Ich wollte gar nicht wissen, dass sie so viele Leute kannte und sich sonst wem verbunden fühlte. Nur ohne Nebendarsteller und ohne Geschichte war sie unschuldig. Immerhin war ich mittlerweile so geübt darin, die eigenen Gedanken unbeachtet vorbeiziehen zu lassen, dass Gedanken von anderen erst recht keine Chance hatten.
    Während ich den Tee einschenkte, lauschte ich nur dem Tonfall, diesem springbrunnenhaften Auf und Ab, das viel heiterer schien als der Inhalt. War sie wirklich geknickt wegen der Wankelmütigkeit ihres Freundes? Kaum zu glauben angesichts dieser Frühlingsmusik ihrer Stimme, das war Quellgesang, Mozart, übersprudelnde Papagena, schillernde Lebendigkeit. Und nur aus rhythmischen Gründen, um eine Art Basso continuo beizutragen, flocht ich gelegentlich »Ach so« ein oder »Ja, klar« und »Natürlich!« oder einen mitfühlenden Seufzer.
    »Du hörst wirklich lieb zu«, schloss sie irgendwann, obgleich ich nicht imstande gewesen wäre, drei zusammenhängende Worte zu wiederholen. »Du bist offen und zugewandt.«
    »Ich mag dich, das ist alles«, erklärte ich. Ich fühlte mich neutral freundlich. Die Aufregung hatte sich gelegt. Keine tibetischen Tricks und tantrischen Transformationen notwendig. Es war ein Nachmittag unter Freunden. Ein kleines, kreuzbraves Teekränzchen.
    »Okay, dann zeig mir eben noch, wie man meditiert, und dann verschwinde ich«, sagte sie mit einem Blick auf die Uhr. »Sitzhaltung, Atem oder was ihr da so macht.«
    Na gut. »Du sitzt schon einigermaßen richtig«, konstatierte ich. »Aufrecht und entspannt, nicht starr. Das sieht gut aus. Ohne Anstrengung. Der Atem fließt von selbst. Und auch der Rücken richtet sich beim Meditieren nach einiger Zeit von selbst auf.«
    »So?«, fragte sie. Trockenes Schlucken. Dermaßen vorgewölbt hatte ich ihre Brüste noch nicht gesehen. Sadhu, Sadhu!
    »Das ist vielleicht etwas zu provozierend für einen betrachtenden Mönch«, murmelte ich. Aufrichtig zu sein schien die beste Strategie.
    »Es geht ja nur um stilles Sitzen. Du schließt die Augen, ohne etwas zu wollen. Du sitzt einfach nur still. Äußerlich still und innerlich still. Dann rückt der Körper sich von selbst zurecht. Die Energie sucht sich ihren Weg. Ohne Erwartung und ohne Anspannung fließt sie frei und klärt Körper und Geist.«
    »Okay, ich glaube, ich merke das schon. Wie lange sitzen wir?«
    »Ja, wenn du noch Zeit hast? Zwanzig
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