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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze
Autoren: Dietmar Bittrich
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Theresa existierte. Es hätte auch gepasst, wenn die Alte noch nie von ihr gehört hätte. Und warum das Zögern? Durfte man den Namen hier nicht nennen? Verband sich etwas Unerfreuliches damit?
    »Ja, richten Sie ihr etwas aus«, sagte ich patzig. »Pater Felix hat mich geschickt. Theresa interessierte sich für einen Meditationskurs oben im Zen-Haus. Am nächsten Wochenende läuft einer. Ab Freitagabend.«
    »Was, für so was interessiert sie sich? Glaube ich nicht. Seit wann das denn?«
    »Das kann ich Ihnen nicht beantworten«, antwortete ich beherrscht. Diese Oma hatte eine brillenzerschmetternde Ohrfeige verdient. »Ich bin nur der Überbringer der Nachricht von Pater Felix. Köpfen Sie mich bitte nicht. Pater Felix hat sagt, Theresa solle sich möglichst bald melden, denn der Kurs wird voll.«
    Sie meldete sich nicht. Ich nahm teil an dem Wochenendseminar, und bestimmt nicht wegen der Meditation. Das stille Sitzen deprimierte mich. Die Formeln vom wachsamen Desinteresse und stillen Gewahrsein schepperten hohl. Sie tauchte nicht auf. Die sture Alte hatte meine Nachricht nicht weitergegeben. Oder war das Interesse bei Theresa erloschen? Warum? Sollte ich mit dem Bus nach Irndorf hinauffahren und die Bäckerei aufsuchen? Ein demütigender Gedanke. Bei Dunkelheit durch den Ort wandern? Vor gekippten Fenstern lauschen, um ihre Stimme zu finden?
    Der dicke Björn steckte sich vor dem Haus ein Zigarillo an und blies den Rauch ins Blaue. Ein durchsichtiger Frühlingsnachmittag. Lavendelfarbene Schatten. Der Wind huschte durchs Gras, kämmte das Moos auf den Steinen, streichelte die Hyazinthen am Haus. Nutzloser Brautschmuck der Blüten. Bald wäre wieder Gartenarbeit fällig. Für diejenigen, die blieben und nicht einfach die Koffer packten. Die Straße glänzte im Gegenlicht.
    »Das Eremitenhäuschen ist auf Dauer nichts für mich«, teilte ich Björn kleinlaut mit.
    »Ja«, sagte er, »das sieht man dir an.«
    Der Pater trat vor die Tür. Er hatte mitgehört. »Vielleicht brauche ich doch die Unterstützung der Gruppe«, erklärte ich ihm. Das glaubte ich zwar nicht,aber es hörte sich einsichtig an. Er klopfte mir auf die Schulter. Björn übernahm die Schlüssel mit triumphierendem Feixen und versprach Mietzahlungen ab Monatsbeginn.
    »Du glaubst aber nicht, dass ich da nur meditiere«, vertraute er mir an, ohne vor dem Pater die Stimme zu senken. »Da werde ich Frauen verführen! Was, Pater Felix? Wozu ist das Mönchsleben da?«
    Unser Meister lachte. Ich konnte in diese Leutseligkeit nicht einstimmen. Die Vorstellung, Björn könnte Theresa verführen oder, schlimmer noch, sie ihn, verdarb mir das heilige Tal.
    »Du denkst aber daran, verführerische Frauen ohne Haut zu sehen, ja?«, erinnerte ich ihn. Zumindest hatte ich selbst es aufrichtig versucht.
    Er lachte laut auf und zeigte mir einen Vogel. Pater Felix lächelte fein.
    Nach dem Kurs packte ich meine Sachen. Ich wollte meine Zeit nicht mit Warten verbringen. Falls Theresa sich bei mir melden wollte: das Zen-Haus besaß meine Anschrift. Ende des Versuchs, als Mönch zu leben.

Lob des Tattergreises
    »Und hat sie sich gemeldet?«, fragte Josephine mit dunkelgrünem Blick.
    »Nicht direkt.«
    »Aber indirekt?«
    Wir hatten die herzogliche Mumienausstellung hinter uns gebracht. Waren durch Gemächer mit Tapisserien, Täfelungen und Fresken gewandert, hatten eine Antikensammlung links liegenlassen, ein Kupferstichkabinett unfreundlich zur Kenntnis genommen, grün ausgeschlagene Säle voller Münzen und Medaillen durchquert, hatten in Audienzräumen zwischen Damasttapeten nach dem Lageplan gesucht und, rein betrachtend, Pause gemacht in einem Schlafzimmer mit Himmelbett und schalldämpfenden Gobelins.
    Am Ende waren wir auf Filzpantoffeln durch die herzoglichen Wunderkammern geglitten. Korallenbäumchen in Vitrinen, Widderschädel und Rhinozeroshorn hinter Glas, Uhren, Fächer, Lackarbeiten, gravierte Straußeneier und gerollte Schlangenhaut. Eine Karawane elfenbeingeschnitzter Kamele, zu Besuch bei einem Elefanten aus Silber, der Hofstaat eines blutrünstigen Maharadschas als Puppenstube, Kirschkerne mit mikroskopisch eingeritzten Versen des Kamasutras, kopulierende Specksteinplastiken, eine aufgeklappte Kokosnuss, in der eine puppenhafte Sünderin von einem winzigen Turbanträger gefoltert wurde. Schließlich ein schimmernder Himmelsglobus, eine sternenübersäte tiefblaue Kugel aus dem Zeitalter des Staunens.Um sie herum zogen Planeten als kleine Sonnen an
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