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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren
Autoren: Arne Dahl
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Vasagata und schoss mit Vollgas quer über Norra Bantorget und dann in die Torsgata. Beim Verlagshochhaus Bonniers riss er den Wagen nach links und bog in die idyllische Atlasgata ein.
    Sie liefen hinauf. Klingelten, wild, klingelten Sturm. Niemand öffnete.
    »Tritt sie ein, verdammt!«, schrie Chavez.
    Gunnar Nyberg zog die Augenbrauen hoch. Es hatte beim letzten Mal ziemlich wehgetan, aber das konnte er nicht offen zugeben. Also nahm er diesmal den linken Fuß. Das ging auch gut.
    Lena Lindberg lag im Schlafzimmer auf dem Fußboden. Leblos.
    Der Kinderwagen war leer. Das Kinderreisebett war leer.
    Und Klein Isabel war fort.
    Nyberg trat zu Lena. Aus ihrem Brustkorb ragte ein eigentümlicher Pfeil auf. Er nahm ihn näher in Augenschein.
    »Ein Betäubungspfeil?«, fragte Hjelm.
    »Ich glaube, ja«, sagte Nyberg und tastete an Lenas Hals nach dem Puls.
    »Lebt sie?«
    »Ja. Der Puls ist normal. Sie ist betäubt.«
    Jorge Chavez irrte umher. Seine Seele schrie. Er selbst bekam keinen Ton heraus. Alles war Schmerz.
    Isabel.
    Er torkelte auf die Toilette und blieb vor der Schüssel auf den Knien liegen.
    Gunnar schlug Lena auf die Wange, immer fester, bis sie ein Lebenszeichen von sich gab. Sie hustete. Ein Beben durchfuhr ihren Körper, ihre Lider begannen zu zucken, und dann schlug sie die Augen auf.
    Ihr Blick war von schierem Entsetzen erfüllt. »Isabel?«, fragte sie röchelnd.
    »Weg«, sagte Nyberg. »Was ist passiert?«
    »Ich bin ihm auf die Schliche gekommen«, röchelte Lena.
    »Hätte ich das nicht getan, wärt ihr noch rechtzeitig hier gewesen.«
    »Es wäre so oder so Zeit gewesen«, sagte Hjelm. »Sein Timing hat bisher ziemlich gut geklappt. Worauf bist du gekommen?«
    »Naska hat einmal zu Sara gesagt, sie wäre Russin. Sie nannte sich Olga Bahizeva. Mein Claes heißt mit Nachnamen Bahizev. Er war bei Naska zu Hause, als Nedim anrief. Sie waren zusammen.«
    »Schreibt sich Bahizev möglicherweise mit Z?«, fragte Hjelm.
    »Als ich ihn das erste Mal im Sturehof traf, hatte ich das Gefühl, ihn zu kennen. Er saß da und las. Jetzt ist mir klar, woher ich ihn kannte. Er war der Fotograf auf dem Fest. Er muss verdammt gut maskiert gewesen sein.«
    »Wenn man die Buchstaben in Claes Bahizev anders zusammensetzt, ergeben sie Vebach Zelsai oder Eva-Liza Besch oder Isabel Chavez.«
    »Kannst du aufstehen?«, fragte Gunnar Nyberg.
    Chavez beugte den Kopf über die Toilettenschüssel. Er konnte nicht kotzen. Es ging nicht. Alles wollte in ihm bleiben. Nichts durfte herauskommen. Alles war Wahnsinn. Klein Isabel.
    Er spürte eine Vibration im Bein und begriff nicht, was es war. Eine erste Nervenzelle, die explodierte? Der Anfang eines vollständigen körperlichen Zusammenbruchs? Als die Vibration wiederkam, begriff er. Sein Handy. Er hatte es auf Vibration gestellt.
    Er holte es hervor.
    »Bist du allein?«, sagte eine Stimme.
    »Stickanpickan«, sagte Chavez.
    »Wenn du nicht allein bist, lege ich auf.«
    »Ich bin allein.«
    »Geh in die Wohnung über meiner. Ich kann sehen, wenn jemand bei dir ist. Dann hörst du nie wieder von mir.«
    Und die Stimme war fort.
    Chavez stand auf. Er schloss die Augen und überlegte. Was wollte Stig? Was hatte er im Sinn? Er hatte fünf Quälgeister ermordet, die sonst wahrscheinlich ihre Opfer ermordet hätten. Er drehte das Kräfteverhältnis um. Außerdem sorgte er dafür, dass der schwedische Staat den unschuldigen Verdächtigen eine Entschädigung zahlte. Er hatte nicht vor, Isabel zu töten. Nicht im Traum. Er dagegen, Jorge Chavez, war aus irgendeinem Anlass ausgewählt worden für eine Art Prüfung.
    Er musste tun, was Stig Nilsson sagte.
    Er schlich sich aus der Wohnung und hinaus auf die Atlasgata. Durch den immer stärker fallenden Regen lief er Atlasmuren hinunter und folgte den Eisenbahngleisen, über Klarastrandsleden und Barnhusviken unter der Sankt-Eriksbrücke hindurch, wo Atlasmuren den Namen wechselte und als Norbackagatan weiterging. Jenseits des Wassers lagen die schönen Fassaden von Kungsholmsstranden und beobachteten ihn. Mit einem Blick, der das Menschliche überstieg. Der mit ruhiger Gelassenheit das Tun und Lassen des Menschen registrierte.
    Er bog in die Birkagata ein. Vor seiner Haustür hielt er einen Augenblick inne. Dort oben saß Sara und bereitete sich in aller Ruhe auf die Mittsommerfeier vor. Vielleicht fragte sie sich inzwischen, wo er steckte. Vielleicht genoss sie aber auch einen Moment des Alleinseins.
    Chavez lief weiter. Er kehrte zu
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