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Und wenn es die Chance deines Lebens ist

Und wenn es die Chance deines Lebens ist

Titel: Und wenn es die Chance deines Lebens ist
Autoren: Caroline Vermalle
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Herz bricht, aber ich habe ihn bereits bei meinem Einstellungsgespräch im September kennengelernt. Und ich bin nicht seine Sekretärin.«
    Pétronille legte großen Wert darauf, als persönliche Assistentin und nicht als Sekretärin bezeichnet zu werden. Vor allem, da sie schon einige Jahre studierte, ohne dass allerdings der Abschluss in Sicht war. Und besonders ihrer Schwester Dorothée gegenüber, deren Lebenslauf wirklich beeindruckend war. Sie war nämlich Leiterin einer Marketingabteilung und hatte schon im Alter von Pétronille eine persönliche Assistentin gehabt. Sogar jetzt in ihrem Mutterschaftsurlaub hatte Dorothée nichts von ihrer natürlichen Autorität eingebüßt, die ihre jüngere Schwester von jeher tief beeindruckte.
    »Jetzt reg dich doch nicht wegen so einer Lappalie auf, Nini«, erwiderte Dorothée. »Du weißt schon, was ich meine.«
    »Außerdem«, flüsterte Pétronille, »bin ich gar nicht sein Typ.«
    »Woher willst du das wissen?«, flüsterte nun auch Dorothée. »Und warum sprichst du so leise?«
    Auch wenn es vollkommen unsinnig war, beruhigte es Pétronille zu flüstern. Ihr Chef würde furchtbar wütend werden, wenn er Dorothée hier antraf.
    »Seine letzte Freundin war Model«, sagte Pétronille.»Weißt du, diese Frau, die Werbung für Chanel macht ... Sie war diesen Sommer auf dem Cover der Vogue.«
    »Du machst wohl Witze! Marcia? Das Topmodel, Marcia Gärtener?«
    »Hm.«
    »Und, ist er noch mit ihr zusammen?«
    »Hm, nein, ich glaube nicht.«
    »Na also ...«, trällerte Dorothée.
    Pétronille konnte gerade noch die Bemerkung zurückhalten, dass die beiden sich vor acht Monaten endgültig getrennt hatten. Eigentlich sollte sie so etwas gar nicht wissen. Sie versuchte sich auf die Unterlagen zu konzentrieren, die sie aus Frédérics Arbeitszimmer holen sollte. Allmählich verlor sie den Überblick über all das, was sie hier zu erledigen hatte.
    »Reinigung, Gemälde, Abfall, Post, Reisepass, ach ja, die Geburtsurkunde für seinen neuen Reisepass ...«
    Sie ging auf das Arbeitszimmer zu und ließ die immer noch fassungslose Dorothée zurück, die auf ihrem Handy herumtippte. Als Pétronille mit drei Akten unter dem Arm wieder aus dem Zimmer kam, drehte sie sich suchend im Kreis: Ein Möbelstück fehlte. Ja, sie hätte schwören können, dass hier noch letzte Woche ein Sekretär mit feiner Intarsienarbeit aus dem 18. Jahrhundert stand. Seltsam. Ihre Schwester, die sich im Wohnzimmer über ihr Smartphone beugte, kicherte.
    »Worüber lachst du?«
    »Sieh mal«, sagte Dorothée und zeigte ihr ein Foto von Frédéric Solis und Marcia Gärtener, das Paparazzi geschossen und ins Internet gestellt hatten. Er versteckte sich hinter seiner Ray-Ban, doch sie strahlte. »Erinnert dich das nicht an etwas?«
    »Nein – außer dass mein Chef gleich in seiner Wohnung auftauchen und mich rausschmeißen wird, weil ich meine Schwester dorthin eingeladen habe, ohne ihn zu fragen. Nein, sonst fällt mir nichts dazu ein.«
    »Mann, er sieht doch aus wie Ken! Barbie und Ken!«
    Pétronille kicherte und winkte ihrer Schwester, ihr zu folgen. Auf Zehenspitzen durchquerten sie das Schlafzimmer, und Pétronille öffnete den Kleiderschrank. Sie nahm den Smoking heraus, den sie in die Reinigung bringen sollte. Dorothée lachte laut. »Fehlt nur noch die Discokugel!«
    Ebenfalls lachend legte Pétronille sich den Smoking über den Arm.
    »Sieh mal. Wer, glaubst du, ist das ...?«, fragte Dorothée sie dann in ernstem Ton.
    Sie deutete auf einen Bilderrahmen aus Holz, der auf einer modernen Kommode stand. Das Foto, das sich im Laufe der Jahre leicht gewellt hatte, zeigte die Profilaufnahme einer Frau mittleren Alters. Sie hielt sich sehr gerade und trug das von grauen Fäden durchzogene Haar zu einem ordentlichen Knoten hochgesteckt. Der Fotograf musste sie in ihrer bescheiden eingerichteten Wohnung überrascht haben. Eine trotz aller Zerbrechlichkeit starke Frau, die ein wenig schüchtern wirkte und argwöhnisch in die Kamera blickte. Sie hatte die gleichen glänzenden dunklen Augen wie Frédéric. Diese Frau gehörte nicht in die Welt der Berühmtheiten auf dem Kaminsims, dachte Pétronille. Sie war auch sensibel genug, um zu begreifen,dass sie durch die Entdeckung dieses kleinen Bildes eine unsichtbare Grenze übertreten hatte. Daher zog sie ihre Schwester schnell aus dem Schlafzimmer. Ehe Pétronille die Tür schloss, sah sie sich noch einmal um und warf, einer Ahnung folgend, einen Blick aus dem
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