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Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie
Autoren: Junot Díaz
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sie lacht. Ich weiß, das ist das Problem.
    Alles läuft wunderbar, großartig, bis sich mitten im Sonnengruß etwas in deinem Kreuz verschiebt, und
bumm
– als hätte dir jemand den Saft abgedreht. Du hast keine Kraft mehr, musst dich hinlegen. Genau, bekräftigt die Lehrerin, ruht euch aus, wenn ihr müsst. Nach dem Unterricht kommst du nur hoch, weil die kleine Weiße dir hilft. Soll ich dich irgendwohin bringen?, fragt sie, aber du schüttelst den Kopf. Der Heimweg kommt dir fast vor wie der Todesmarsch nach Bataan. Vor dem Plough and Stars sackst du gegen ein Stoppschild und rufst mit deinem Handy Elvis an.
    Wie der Blitz taucht er auf, mit einer heißen Tussi im Schlepptau. Echt kapverdisch aus Cambridge. Die beiden sehen aus, als hätten sie gerade gevögelt. Wer ist das?, fragst du, aber er schüttelt nur den Kopf. Schleppt dich in die Notaufnahme. Als die Ärztin kommt, krümmst du dich zusammen wie ein alter Mann.
    Sieht nach einem Bandscheibenvorfall aus, erklärt sie.
    Na prima, sagst du.
    Zwei stramme Wochen lang liegst du im Bett. Elvis bringt dir Essen vorbei und setzt sich zu dir. Er erzählt von dem kapverdischen Mädchen. Sie hat die perfekte Muschi, sagt er. Als würde man seinen Schwanz in eine heiße Mango stecken.
    Nachdem du eine Weile zugehört hast, sagst du: Pass nur auf, dass es dir am Ende nicht geht wie mir.
    Elvis grinst. Scheiße, es könnte nie jemandem gehen wie dir, Yunior. Du bist ein dominikanisches Original.
    Seine Tochter wirft deine Bücher auf den Boden. Dir ist das egal. Vielleicht macht ihr das Lust aufs Lesen, sagst du.
    Jetzt sind es also deine Füße, dein Rücken und dein Herz. Du kannst nicht laufen, du kannst kein Yoga machen. Du versuchst es mit Fahrradfahren und stellst dir vor, du würdest ein zweiter Armstrong werden, aber dein Rücken bringt dich um. Also hältst du dich ans Gehen. Eine Stunde jeden Morgen und eine Stunde jeden Abend. Es fehlt der Rausch, das Lungenzerreißende, dieser krasse Schock für den ganzen Körper, aber es ist besser als nichts.
    Einen Monat später verlässt dich die Jurastudentin für einen ihrer Kommilitonen; sie sagt, es sei toll gewesen, aber sie müsse langsam realistisch werden. Was übersetzt heißt: Ich muss aufhören, alte Kerle zu vögeln. Später siehst du sie mit besagtem Kommilitonen auf dem Yard. Er ist noch heller als du, aber immer noch eindeutig schwarz. Dazu ist er um die drei Meter groß und gebaut wie ein Anatomiemodell. Die beiden halten Händchen, und sie sieht so glücklich aus, dass du versuchst, in deinem Herzen Raum zu schaffen, um es ihr zu gönnen. Zwei Sekunden später kommt ein Wachmann auf dich zu und will deinen Ausweis sehen. Am nächsten Tag wirft ein weißer Junge auf einem Fahrrad eine Dose Cola Light nach dir.
    Bis das neue Semester beginnt, sind die Rechtecke auf deinem Bauch wieder verschluckt worden, wie winzige Inseln in einer Flut aus Fett. Du siehst dich unter den Neuzugängen bei den Dozentinnen um, aber es ist niemand für dich dabei. Du siehst viel fern. Manchmal leistet Elvis dir Gesellschaft, weil seine Frau ihm nicht erlaubt, im Haus Gras zu rauchen. Nachdem er gesehen hat, was es dir gebracht hat, hat er mit Yoga angefangen. Und jede Menge Weiber, meint er grinsend. Du versuchst, ihn nicht zu hassen.
    Was ist aus der kapverdischen Kleinen geworden?
    Welcher kapverdischen Kleinen?, fragt er trocken.
    Mit winzigen Schritten geht es voran. Du fängst mit Liegestützen und Klimmzügen und sogar ein paar von deinen alten Yogaposen an, aber alles ganz vorsichtig. Du gehst mit einigen Frauen essen. Eine ist verheiratet und scharf ohne Ende, so wie es nur Mittelschichts-Dominikanerinnen Ende dreißig sein können. Du merkst, dass sie überlegt, ob sie mit dir schlafen soll, und die ganze Zeit, die du an deinen Rippchen knabberst, kommst du dir vor wie auf dem Prüfstand. In Santo Domingo könnte ich mich nicht so mit dir treffen, erklärt sie ausgesprochen großmütig. Fast jedes Gespräch mit ihr fängt mit In Santo Domingo an. Sie ist für ein Jahr Wirtschaftswissenschaften hergekommen, und so sehr sie auch von Boston schwärmt, merkst du doch, dass sie die DR vermisst und nie irgendwo anders leben würde.
    Boston ist richtig rassistisch, gibst du ihr eine kleine Einweisung.
    Sie sieht dich an, als wärst du verrückt. Boston ist doch nicht rassistisch, widerspricht sie. Und belächelt die Vorstellung, es könnte in Santo Domingo Rassismus geben.
    Lieben die Dominikaner jetzt etwa
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