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Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie
Autoren: Junot Díaz
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Haitianer?
    Das ist kein Rassismus. Sie betont jede einzelne Silbe. Da geht es um die
Nationalität
.
    Natürlich landet ihr im Bett, und abgesehen davon, dass sie nicht kommt und sich Ewigkeiten über ihren Mann beschwert, ist es gar nicht schlecht. Sie hat Nehmerqualitäten, wie man so schön sagt, und bald begleitest du sie durch die ganze Stadt und darüber hinaus: Halloween in Salem und ein Wochenende in Cape Cod. Wenn sie bei dir ist, wirst du nie mit dem Auto herausgewinkt oder nach deinem Ausweis gefragt. Wo immer ihr seid, macht sie Fotos, aber niemals welche von dir. Während ihr im Bett liegt, schreibt sie ihren Kindern Postkarten.
    Nach Semesterende kehrt sie nach Hause zurück. Mein Zuhause, nicht dein Zuhause, sagt sie gereizt. Ständig versucht sie zu beweisen, dass du kein Dominikaner bist. Wenn ich kein Dominikaner bin, ist es niemand, entgegnest du angefressen, aber darüber lacht sie nur. Sag das auf Spanisch, fordert sie dich heraus, und natürlich kannst du das nicht. Am letzten Tag fährst du sie zum Flughafen, und es gibt keinen ergreifenden
Casablanca
-Kuss, nur ein Lächeln und eine kleine, schwule Umarmung, bei der sich ihre falschen Brüste wie etwas Unwiederbringliches an dich drücken. Schreib mir, sagst du, und sie, Por supuesto, und natürlich schreibt keiner von euch. Irgendwann löschst du ihre Kontaktdaten aus deinem Handy, aber nicht die Fotos, die du von ihr im Bett gemacht hast, nackt und schlafend, die nie.

Jahr 4
    In der Post liegen immer wieder Hochzeitseinladungen deiner alten sucias. Diese berserkería kannst du dir einfach nicht erklären. Was soll der Scheiß?, fragst du. Du erhoffst dir von Arlenny eine Erklärung. Sie dreht die Karten in den Händen. Es geht wohl um das, was Oates gesagt hat: Rache heißt, gut ohne dich zu leben. Scheiß auf Hall and Oates, meint Elvis. Diese Schlampen halten uns für Schlampen. Sie glauben, wir würden uns einen Dreck für diesen vaina interessieren. Er mustert die Einladungen. Kommt mir das nur so vor, oder heiratet wirklich jede Asiatin einen weißen Typen? Steckt es denen in den Genen oder was?
    In diesem Jahr fangen deine Arme und Beine an, dir Probleme zu machen, manchmal hast du kein Gefühl in ihnen, ein Flimmern zwischen an und aus wie bei einem Spannungsabfall zu Hause auf der Insel. Ein seltsames Kribbeln. Was zum Teufel ist das?, überlegst du. Hoffentlich sterbe ich nicht. Wahrscheinlich trainierst du zu viel, sagt Elvis. Ich trainiere gar nicht richtig, widersprichst du. Wahrscheinlich ist es nur Stress, erklärt die Schwester in der Notfallambulanz. Das hoffst du, während du besorgt die Hände ballst und öffnest. Das hoffst du wirklich.
    Im März fliegst du an die Bay für eine Gastvorlesung, die nicht gut läuft; außer den Leuten, die von ihren Dozenten gezwungen wurden, taucht kaum jemand auf. Danach fährst du allein nach Koreatown und stopfst dich mit Galbi voll, bis du fast platzt. Du fährst ein paar Stunden lang herum, um einen Eindruck von der Stadt zu bekommen. Obwohl Freunde von dir dort wohnen, rufst du sie nicht an, weil du weißt, dass sie nur über alte Zeiten reden würden und über die Ex. Auch eine sucia von dir wohnt in der Stadt, und am Ende rufst du sie an, aber als sie deinen Namen hört, legt sie auf.
    Daheim in Boston wartet die Jurastudentin im Foyer deines Apartmenthauses auf dich. Du bist überrascht und erfreut und auch ein wenig misstrauisch. Was ist passiert?
    Du kommst dir vor wie in einem schlechten Film. Dir fallen die drei Koffer neben ihr auf. Und als du näher hinsiehst, auch, dass ihre absurd persisch aussehenden Augen vom Weinen gerötet sind und sie die Wimpern frisch getuscht hat.
    Ich bin schwanger, sagt sie.
    Im ersten Moment begreifst du nicht. Scherzhaft fragst du: Und?
    Du
Arschloch.
Sie fängt an zu weinen. Wahrscheinlich ist das Scheißkind von dir.
    Es gibt Überraschungen und richtige Überraschungen, und dann gibt es noch so was wie das hier.
    Du weißt nicht, was du sagen oder machen sollst, also nimmst du sie mit nach oben. Trotz deines Rückens, trotz deines Fußes, trotz deiner flimmernden Arme schleppst du ihre Koffer hoch. Sie drückt wortlos ihr Kissen gegen ihren Pulli von der Howard. Als Südstaatenmädchen hält sie sich kerzengerade, und als sie sich setzt, hast du das Gefühl, sie wollte dich gleich interviewen. Nachdem du ihr Tee serviert hast, fragst du: Behältst du es?
    Natürlich behalte ich
es
.
    Was ist mit Kimathi?
    Sie versteht nicht. Mit wem?
    Deinem
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