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Und Rache sollst du nehmen - Thriller

Und Rache sollst du nehmen - Thriller

Titel: Und Rache sollst du nehmen - Thriller
Autoren: Craig Robertson
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    Sie redete einfach weiter, aber ich bekam nichts davon mit. Ihre Worte prallten an mir ab.
    Würde es das Großmaul mit dem hellen, zurückgegelten Haar sein? Ein Stück weit hoffte ich es. Vielleicht war er ja Stammgast hier. Zumindest musste er schon mal hier gewesen sein, wenn es auf ihn hinauslaufen sollte.
    Sie und ich waren erst zum zweiten Mal hier. Das erste Mal lag sechs Monate zurück, und wir würden bestimmt nicht zurückkehren.
    Wenn ich denn eine Wahl zu treffen hätte, würde sie definitiv auf das Großmaul fallen. Das Lachen des Typen war grell und wiehernd, wie um zu sagen: Seht her, hört mir zu! Ich beobachtete ihn über ihre Schulter, während ich den Worten auswich, die sie in meine Richtung schleuderte. Bitte, lass es ihn sein. Seine Selbstgefälligkeit, diese irritierende, ungehobelte Aufdringlichkeit, ging mir gehörig auf den Geist. Oh ja, ihn würde ich gerne, sehr gerne aussuchen. Aber ich konnte es nicht erzwingen.
    Ihre Worte prallten weiter an mir ab, bis ich zufällig ein paar davon auffing. Anscheinend ging es um ihre Arbeit. Ich schaltete wieder auf Durchzug.
    Im Restaurant war viel los, die meisten Gäste, vor allem Geschäftsmänner, machten gerade Mittagspause.
Letztlich wäre mir jeder von ihnen recht gewesen. Eingebildete Wichser in prallen Anzügen, die sich mit ihren dicken Spesenkonten in den Futtertrögen der Konzerne suhlten. Ja, mir war jeder Einzelne recht. Ich überlegte kurz, ob ich langsamer essen sollte, um die Sache hinauszuzögern, bis der ein oder andere Anzugträger gegangen war. Damit die Chancen stiegen, dass es einer von ihnen sein würde.
    Zum Beispiel der fette Kerl, der seine gesamte Umgebung mit Suppe vollspritzte, während er vor sich hin laberte. Er hatte den Mund voller Brot und Fleischbrühe, die Luft um ihn herum war nass. Der wäre mir sogar sehr recht. Das Hemd spannte über seiner Wampe, der Kragen war auf einer Seite aus dem Jackett gerutscht. Ein verblödeter Gammler in einem eleganten Anzug. Und noch dazu ein echter Gierschlund, der zuerst die Brühe runtergekippt und sich dann das Brot vorgenommen hatte, um es stückeweise in sich hineinzufressen. Der wäre mir wirklich mehr als recht, aber so lief es nicht, ich konnte es nicht beeinflussen. Außerdem würde mir der übliche Manager-Herzinfarkt in diesem Fall ohnehin bald die Arbeit abnehmen.
    Erneut fing ich ein paar von ihren Worten auf. Sie beschwerte sich über die Nachbarn, die übliche Leier von wegen falsche Einstellung und so weiter. Ich schaltete wieder ab und ließ die Sätze von mir abperlen.
    Ein schmieriger Sack in einem protzigen Anzug starrte unentwegt in die Augen des Mädchens, das ihm gegenübersaß. Sie war deutlich jünger und sah deutlich besser aus, aber sie gierte nach jedem Wort, mit dem er sie zumüllte.
Dabei grinste er sie an wie ein Wolf seine Beute, und ich wusste sofort: Der war sich bereits sicher, dass er die Kleine über kurz oder lang vögeln würde. Womit er wahrscheinlich Recht hatte. Vermutlich hatte er jede Sekretärin gefickt, jede neue Kollegin, jede hirnlose Tussi, die er hier reingeschleppt hatte. Sein dicker Geldbeutel und seine vor dem Spiegel eingeübten Sprüche machten so viel Eindruck, dass sie ihm gerne Zutritt zu ihren Höschen gewährten. Ja, der wäre mir auch recht. Ich wollte und konnte es nicht erzwingen, aber wenn es auf ihn hinauslief, war heute mein Glückstag. Das wäre mal ein schöner Zufall.
    Ich spielte ihr die Worte mit einem bloßen Nicken oder Kopfschütteln zurück, manchmal auch mit einem Ja oder Nein. Es brauchte nicht viel Einsatz von meiner Seite, um ein Gespräch mit ihr zu führen oder zumindest das, was sie sich unter einem Gespräch vorstellte. Ich hatte nichts dagegen, schließlich dachte ich sowieso nur an die Macht des Zufalls: Jeder konnte dieses Restaurant betreten und eine Spur hinterlassen haben, jeder. Jeder, ob er mir jemals über den Weg gelaufen war oder nicht. Das war das Schöne daran: die Weite der Möglichkeiten, eine ganze Welt von Möglichkeiten, oder zumindest eine ganze Stadt. Eine ganze Stadt plus eine unüberschaubare Besucherschar.
    Die Tagliatelle kamen. Tagliatelle haben mich schon immer fasziniert. Die Fäden laufen aus verschiedenen Richtungen zusammen und in verschiedene Richtungen wieder auseinander. Wahrscheinlich reizt mich der Zufallsfaktor: Man spießt das Ende irgendeiner Nudel
auf und hat keine Ahnung, wo das andere Ende ist, das sich gleich bewegen wird.
    Ich blickte auf meinen Teller,
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