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Und Rache sollst du nehmen - Thriller

Und Rache sollst du nehmen - Thriller

Titel: Und Rache sollst du nehmen - Thriller
Autoren: Craig Robertson
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Höllenfeuer nur noch weiter anfachte. Zu spät. Kein Zurück mehr.
    Es gibt einen frühen Disney—Zeichentrickfilm, einer von den richtig alten aus den Dreißigern oder so, mit Micky Maus in der Hauptrolle. Micky ist auf dem Land unterwegs, er spaziert über einen Hügel, pfeift so vor sich hin und genießt den schönen Ausblick. Dabei guckt er nicht, wo er hintritt, weshalb er auch den Abgrund nicht sieht, der sich direkt vor ihm auftut. Aber wir sehen ihn. Wir sehen ihn und wissen, was gleich passieren wird.
    Micky tritt ins Leere und geht einfach weiter. Er fällt nicht. Nach den physikalischen Gesetzen des Zeichentrickfilms kann er nicht in die Tiefe stürzen, weil er gar nicht bemerkt hat, dass ihm der feste Boden unter den Füßen abhandengekommen ist.
    Doch irgendwann muss er nach unten gucken, irgendwann muss er es merken. Und als es dann so weit ist, fangen
seine Beine an zu wirbeln. Er rast im leeren Raum auf der Stelle und schafft es tatsächlich, wiederum aufgrund derselben Zeichentrickgesetze, sich einen Moment lang oben zu halten. Aber schließlich wird er fallen, es ist unausweichlich.
    Mit mir war es dasselbe.
    Mich hatte nur noch der Hass oben gehalten.
    Und in den letzten Sekunden, als die Rufe des Asphalts zu einem ohrenbetäubenden, donnernden Brüllen anschwollen, hasste ich mich selbst mehr als alle anderen.
    Ich war froh, dass es kein Zurück mehr gab. Dass ich mich nicht mehr wie Micky Maus im leeren Raum oben halten konnte. Davon hatte ich wirklich genug.
    In dieser Welt bekommt man nicht immer, was man verdient hat, aber manchmal bekommt man mehr, als man verdient. Falls mir das noch Sorgen bereitete, würden die Sorgen bald ein Ende nehmen.
    Ich wollte keine Erlösung. Ich hatte kein Bedürfnis, Buße zu tun, ich verdiente es nicht, errettet zu werden. Ich wollte meine geliebte Tochter wiedersehen.
    Ich lächelte. Vielleicht zum ersten Mal in sieben Jahren. Während mir der Asphalt lauter und lauter entgegenbrüllte, lächelte ich.
    Denn ich hoffte – auf den Gott, an den ich nicht mehr glaubte. Der Gott, der mich enttäuscht hatte, der Gott, der mich entzweigerissen hatte, war meine einzige Hoffnung auf Heilung. Das Leben nach dem Tod, die Wiederauferstehung, die Erneuerung der Schöpfung, das waren die Versprechen dieses Gottes. Er, den ich verstoßen
hatte, lockte mich mit der Aussicht auf ewigen Frieden. Und alles, was ich dafür tun musste, war, an das Unglaubliche zu glauben.
    Wenn es eine minimale Chance gab, Sarah durch den Glauben wiederzusehen, durfte ich sie nicht verweigern. Ich konnte nicht widerstehen. Was für ein Vater würde für die eigene Tochter nicht alles tun?
    Ich fiel. Und willigte in den Deal ein. Ich glaubte. Ich fiel und glaubte. Ich vertraute mich ganz meinem Herrn an, mit fröhlichem Gesicht und hoffnungsfrohem Herzen. Ja, ich würde meine geliebte Tochter wiedersehen.
    Ich schloss die Augen und presste sie so fest zusammen, dass es wehtat. Ich hatte mein Versprechen eingelöst, ich hatte mich an meinen Schwur gehalten. Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name.
    Ich lächelte. Es war geschafft, erledigt, beendet. Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
    Glasgow rauschte an mir vorbei, und ich wusste, dass ich das Richtige getan hatte, ich wusste, meine guten Werke würden mich an ihre Seite und zu meinem merkwürdigen Frieden geleiten. Unser tägliches Brot gib uns heute.
    Meine Schuld, die Schuld der anderen, das alles gehörte der Vergangenheit an. Es war kein Hass mehr übrig, keine Schuld, keine Anschuldigungen. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
    Alles reduzierte sich auf einen einzigen Fetzen Hoffnung, eingehüllt in einen Kokon aus Glaube und Unglaube. Eine Reise, die mit einem einzigen Schritt auf
dem Weg der fehlgeleiteten Selbstgerechtigkeit begonnen hatte. Und endete. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
    Irgendwo bellte ein großer schwarzer Hund, irgendwo brüllte eine Frau im Schlaf, irgendwo zweifelte eine Polizistin noch immer, irgendwo schrie ein kleines Mädchen.
    Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.
    Mutter Erde raste auf mich zu, unbewegt und endgültig.
    In Ewigkeit. Amen.

Die Originalausgabe RANDOM erschien 2010
bei Simon & Schuster UK Ltd.
    Vollständige deutsche Erstausgabe 03/2011
    Copyright © 2010 by Craig Robertson
    Copyright © 2011 der deutschen Ausgabe by
Wilhelm Heyne Verlag, München in
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