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...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen!
Autoren: Roald Dahl
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Schreibtisch und blickte den jungen Mann aufmerksam mit seinen kleinen braunen Augen an.
    «Ich glaube trotzdem, dass Ihre Idee undurchführbar ist, Knipe.»
    «Vierzigtausend die Woche!», rief Adolph Knipe. «Und wenn wir den Preis herabsetzen, sagen wir um die Hälfte – also zwanzigtausend die Woche   –, dann macht das immer noch eine Million im Jahr!» Und er fügte mit sanfter Stimme hinzu: «Für den Bau der elektronischen Rechenmaschine haben Sie keine Million im Jahr bekommen, nicht wahr, Mr.   Bohlen?»
    «Also jetzt mal im Ernst, Knipe. Meinen Sie wirklich, dass man uns das Zeug abkauft?»
    «Ich bitte Sie, Mr.   Bohlen, wer in aller Welt verlangt denn handgearbeitete Kurzgeschichten, wenn er die anderen für den halben Preis kriegen kann? Das leuchtet doch ein, nicht wahr?»
    «Und wie wollen Sie sie verkaufen? Wen wollen Sie als Verfasser nennen?»
    «Wir gründen eine eigene literarische Agentur, die den Vertrieb übernimmt. Und die Namen der Verfasser – nun, die denken wir uns einfach aus.»
    «Die Sache gefällt mir nicht recht, Knipe. Schmeckt irgendwie nach Betrug, finden Sie nicht?»
    «Und noch etwas, Mr.   Bohlen. Wenn wir erst einmal in Schwung sind, könnte noch so mancher Nebenverdienst abfallen. Nehmen Sie zum Beispiel die Werbung. Bierbrauer und solche Leute sind heutzutage gern bereit, gutes Geld zu zahlen, wenn sie berühmte Schriftsteller als Verbraucher ihrer Produkte bezeichnen dürfen. Mein Gott, Mr.   Bohlen! Das ist kein Pappenstiel, das ist ein dickes Geschäft!»
    «Werden Sie nur nicht größenwahnsinnig, mein Junge.»
    «Und noch etwas. Nichts spricht dagegen, Mr.   Bohlen, dass wir
Ihren
Namen unter einige der besseren Geschichten setzen, wenn Sie das wünschen.»
    «Du meine Güte, Knipe, was hätte ich denn davon?»
    «Ich weiß nicht, Sir, nur   … einige Schriftsteller sind doch sehr berühmt geworden – Mr.   Erle Gardner und Kathleen Norris zum Beispiel. Wir brauchen Namen, und ich habe sogar schon daran gedacht, meinen eigenen für ein paar Geschichten zur Verfügung zu stellen. Nur um auszuhelfen.»
    «Ein Schriftsteller, hm?», sagte Mr.   Bohlen nachdenklich. «Na ja, im Club würden sie schön überrascht sein, wenn sie meinen Namen in den Magazinen sähen – in den guten Magazinen.»
    «Allerdings, Sir.»
    Ein verträumter, abwesender Blick kam in Mr.   Bohlens Augen, und er lächelte. Gleich darauf aber riss er sich zusammen und fing an, in den Entwürfen zu blättern, die vor ihm lagen.
    «Eines verstehe ich noch nicht ganz, Knipe. Woher kommen die Handlungen? Die Maschine kann doch keine Handlungen erfinden.»
    «Die speichern wir, Sir. Das ist überhaupt kein Problem. Handlungen gibt’s wie Sand am Meer. Drei- oder vierhundert finden Sie dort in der Mappe zu Ihrer Linken. Wir geben sie einfach in das ‹Fabel-Speicherwerk› der Maschine.»
    «Sehr interessant.»
    «Ich habe auch für allerlei kleine Raffinessen gesorgt, Mr.   Bohlen. Sie werden das sehen, wenn Sie die Pläne sorgfältig studieren. So wenden zum Beispiel fast alle Schriftsteller den Trick an, dass sie in jeder ihrer Geschichten irgendein langes, unverständliches Fremdwort gebrauchen. Weil der Leser dann denkt, der Autor sei sehr klug und gebildet. Ich lasse also die Maschine das Gleiche tun. Wir werden einen Vorrat solcher Wörter eigens zu diesem Zweck speichern.»
    «Wo?»
    «Im ‹Wort-Speicherwerk›», sagte Knipe epexegetisch.
    Fast den ganzen Tag sprachen die beiden Männer über die Möglichkeiten der neuen Maschine. Schließlich erklärte Mr.   Bohlen, er müsse noch einmal darüber nachdenken. Am nächsten Morgen zeigte er sich recht angetan von der Idee. Nach einer Woche war er völlig von ihr besessen.
    «Natürlich halten wir die Sache geheim, Knipe. Wir werden sagen, dass wir eine zweite Rechenmaschine bauen, einen neuen Typ.»
    «Jawohl, Mr.   Bohlen.»
    Sechs Monate später war die Maschine fertig. Sie wurde in einem Backsteingebäude am äußersten Ende des Fabrikgeländes aufgestellt, und als sie einsatzbereit war, durfte außer Mr.   Bohlen und Adolph Knipe niemand in ihre Nähe.
    Es war ein erregender Augenblick, als die beiden Männer – der eine klein, dick und kurzbeinig, der anderegroß, dünn und langzahnig – vor dem Schaltbrett standen und sich anschickten, die erste Kurzgeschichte herunterzuschreiben. Sie waren von Wänden umgeben, zwischen denen schmale Gänge verliefen, und die Wände waren bedeckt mit Drähten, Steckdosen, Schaltern und
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