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...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen!
Autoren: Roald Dahl
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er einen Schritt zurück und wartete auf das Urteil.
    «Wissen Sie was, Knipe? Ich glaube, Sie haben nicht alle Tassen im Schrank.» Sei vorsichtig jetzt, ermahnte sich Mr.   Bohlen. Fass ihn behutsam an. Der Bursche ist wertvoll für uns. Wenn er nur nicht so grässlich aussähe mit diesem Pferdegesicht und den großen Zähnen. Und Ohren hat er – wie Rhabarberblätter.
    «Aber Mr.   Bohlen! Es geht! Ich hab’s Ihnen doch bewiesen! Das können Sie nicht abstreiten!»
    «Immer mit der Ruhe, Knipe. Immer mit der Ruhe. Hören Sie mir erst mal zu.»
    Adolph Knipe sah seinen Chef an und verabscheute ihn mit jeder Sekunde mehr.
    «Diese Idee», sagte Mr.   Bohlens Unterlippe, «ist sehr gescheit – ich möchte beinahe sagen genial   –, und sie bestätigt nur meine hohe Meinung von Ihren Fähigkeiten, Knipe. Aber Sie dürfen das alles nicht zu ernst nehmen, mein Junge. Was kann uns Ihre Erfindung schon nützen? Wer in aller Welt braucht eine Maschine, die Kurzgeschichten schreibt? Und wo steckt da Geld drin? Können Sie mir das sagen?»
    «Darf ich mich setzen, Sir?»
    «Natürlich, nehmen Sie Platz.»
    Adolph Knipe hockte sich auf die Kante eines Stuhls. Der Ältere beobachtete ihn mit wachsamen braunen Augen und harrte der Dinge, die da kommen sollten.
    «Wenn Sie gestatten, Mr.   Bohlen, möchte ich Ihnen erklären, wie ich auf die ganze Geschichte verfallen bin.»
    «Schießen Sie los, Knipe.» Man muss ein bisschen auf ihn eingehen, dachte Mr.   Bohlen. Der Junge ist ja für unssein Gewicht in Gold wert. Ein unersetzlicher Mitarbeiter, geradezu ein Genie. Wenn ich mir nur diese Papiere hier ansehe   … Das verschlägt einem doch glatt die Sprache. Eine erstaunliche Arbeit. Natürlich völlig sinnlos. Ohne geschäftlichen Wert. Aber sie beweist wieder einmal, wie begabt der Bursche ist.
    «Ich   … ich muss Ihnen etwas gestehen, Mr.   Bohlen. Dann werden Sie vielleicht begreifen, warum ich immer so   … na, eben so deprimiert bin.»
    «Sagen Sie mir alles, was Sie bedrückt, Knipe. Ich bin dazu da, Ihnen zu helfen – das wissen Sie doch.»
    Der junge Mann krampfte die Hände ineinander und presste die Ellbogen gegen die Rippen. Ihm schien plötzlich sehr kalt zu sein.
    «Sehen Sie, Mr.   Bohlen, die Sache ist so, dass mir eigentlich nicht viel an meiner Arbeit hier liegt. Ich weiß, dass ich sie gut mache, aber offen gestanden, mit dem Herzen bin ich nicht dabei. Es ist nicht das, wovon ich immer geträumt habe.»
    Mr.   Bohlens Augenbrauen schnellten hoch wie eine Sprungfeder. Sein Körper erstarrte.
    «Sehen Sie, Sir, ich wäre so schrecklich gern Schriftsteller geworden.»
    «Schriftsteller?»
    «Ja, Mr.   Bohlen. Ob Sie es glauben oder nicht, ich verwende jedes bisschen Freizeit darauf, Geschichten zu schreiben. In den letzten zehn Jahren habe ich Hunderte, buchstäblich Hunderte von Kurzgeschichten geschrieben. Fünfhundertsechsundsechzig, um genau zu sein. Etwa eine pro Woche.»
    «Um Himmels willen, Mann! Wozu denn das?»
    «Ich weiß nur, Sir, dass ich den Drang dazu habe.»
    «Was für einen Drang?»
    «Den schöpferischen Drang, Mr.   Bohlen.» Jedes Mal,wenn er aufblickte, sah er Mr.   Bohlens Lippen. Sie wurden immer dünner, immer röter.
    «Und darf ich fragen, was Sie mit diesen Geschichten machen, Knipe?»
    «Ach, Sir, das ist es ja gerade. Niemand will sie kaufen. Wenn ich eine fertig habe, schicke ich sie reihum, von einem Magazin zum anderen. Das ist alles, was geschieht, Mr.   Bohlen. Wie ein Bumerang kommen sie zu mir zurück. Es ist sehr deprimierend.»
    Mr.   Bohlens Züge entspannten sich. «Ich weiß genau, wie Ihnen zumute ist, mein Junge.» Seine Stimme triefte vor Mitgefühl. «Irgendwann im Leben macht jeder von uns so etwas durch. Aber jetzt, wo Sie den Beweis haben   … den positiven Beweis   … von den Fachleuten selbst, von den Redakteuren, dass Ihre Geschichten – wie soll ich sagen – nicht viel taugen, jetzt sollten Sie das Schreiben endgültig aufgeben. Vergessen Sie es, mein Junge. Denken Sie einfach nicht mehr daran.»
    «Nein, Mr.   Bohlen! Nein! Das ist nicht wahr! Ich
weiß
, dass meine Geschichten gut sind. Mein Gott, wenn ich sie mit dem Zeug vergleiche, das in manchen Magazinen erscheint – also wirklich, Mr.   Bohlen   …! Dieser blödsinnige Kitsch, den man Woche für Woche in den Magazinen liest – ach, es ist zum Verrücktwerden!»
    «Hören Sie mal, mein Junge   …»
    «Lesen Sie Magazine, Mr.   Bohlen?»
    «Entschuldigen Sie,
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