Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen!
Autoren: Roald Dahl
Vom Netzwerk:
die schriftlich ausgeführt (wenn das möglich wäre) einehalbe Million Seiten im Folioformat füllen würde. Elektrische Stromstöße – eine Million je Sekunde – befähigen das Elektronengehirn, sämtliche Aufgaben zu lösen, bei denen Additionen, Subtraktionen, Multiplikationen und Divisionen erforderlich sind. Der praktischen Anwendung sind keine Grenzen gesetzt   …›»
    Mr.   Bohlen sah auf und blickte in das längliche, melancholische Gesicht des jüngeren Mannes. «Sind Sie nicht stolz, Knipe? Sind Sie nicht glücklich?»
    «O doch, Mr.   Bohlen.»
    «Ich brauche Sie wohl nicht daran erinnern, dass Ihre Mitarbeit, besonders an den ursprünglichen Plänen, von entscheidender Bedeutung war. Ja, ich bin sogar der Meinung, dass ohne Sie und einige Ihrer Ideen dieses Projekt heute noch auf dem Reißbrett stünde.»
    Adolph Knipe scharrte mit den Füßen auf dem Teppich und betrachtete die kleinen weißen Hände seines Chefs, die nervösen Finger, die mit einer Büroklammer spielten, sie aufbrachen und die Windungen geradebogen. Er mochte die Hände des Mannes nicht. Und ebenso wenig mochte er seinen winzigen Mund mit den schmalen purpurroten Lippen. Wenn Mr.   Bohlen sprach, bewegte sich nur die Unterlippe, und das sah scheußlich aus.
    «Bedrückt Sie irgendetwas, Knipe? Haben Sie Sorgen?»
    «O nein, Mr.   Bohlen. Nein.»
    «Wie wär’s mit einer Woche Urlaub? Würde Ihnen gut tun. Sie haben sich’s redlich verdient.»
    «Ach, ich weiß nicht, Sir   …»
    Der ältere Mann wartete, den Blick auf die lange, hagere Gestalt gerichtet, die so lasch vor ihm stand. Ein schwieriger Bursche, dieser Knipe. Warum konnte er sich nicht gerade halten? Immer ließ er die Schultern hängen.Und schlampig war er, mit Flecken auf der Jacke und ungekämmtem Haar.
    «Ich möchte, dass Sie Urlaub nehmen, Knipe. Sie haben ihn nötig.»
    «Schön, Sir. Wenn Sie es wünschen.»
    «Nehmen Sie eine Woche. Zwei Wochen, wenn Sie Lust haben. Fahren Sie irgendwohin, wo es warm ist. Legen Sie sich in die Sonne. Schwimmen Sie. Spannen Sie mal so richtig aus. Schlafen Sie, so viel Sie nur können. Wenn Sie dann zurückkommen, unterhalten wir uns über Ihre Zukunft.»
    Adolph Knipe fuhr mit dem Bus nach Hause. In seiner Zweizimmerwohnung warf er den Mantel auf das Sofa, goss sich einen Whisky ein und setzte sich vor die Schreibmaschine, die auf dem Tisch stand. Mr.   Bohlen hatte recht. Natürlich hatte er recht. Nur dass er keine Ahnung hatte, was wirklich los war. Vermutlich dachte er, dass eine Frau im Spiel sei. Wenn ein junger Mann bedrückt ist, denkt jeder, es sei wegen einer Frau.
    Er beugte sich vor, um das halb beschriebene Blatt durchzulesen, das in der Maschine steckte. Die Überschrift lautete: «Mit knapper Not entkommen», und der Text fing an:
«Die Nacht war dunkel und stürmisch, der Wind pfiff durch die Bäume, es regnete in Strömen   …»
    Adolph Knipe trank einen Schluck Whisky, kostete den malzig-bitteren Geschmack aus, fühlte, wie ihm die kalte Flüssigkeit die Kehle hinunterrann und sich im oberen Teil des Magens sammelte, bevor sie sich ausbreitete und eine kleine warme Zone in seinem Innern erzeugte. Ach, zum Teufel mit Mr.   John Bohlen. Zum Teufel mit dem großartigen Elektronengehirn. Zum Teufel mit   …
    Seine Augen und sein Mund öffneten sich langsam, wie in höchster Verwunderung. Langsam hob er den Kopf, und so blieb er vierzig, fünfzig, sechzig Sekundenregungslos sitzen, während er mit einem geradezu ungläubig erstaunten, dabei aber ganz festen, gleichsam gesammelten Blick auf die gegenüberliegende Wand starrte. Dann (ohne dass er den Kopf bewegt hätte) veränderte sich allmählich der Ausdruck seines Gesichts, kaum merklich zunächst, nur an den Mundwinkeln sichtbar, bald jedoch immer ausgeprägter, immer umfassender, bis schließlich das ganze Gesicht von äußerstem Entzücken überstrahlt war. Das Staunen hatte der Freude Platz gemacht. Es war das erste Mal seit vielen, vielen Monaten, dass Adolph Knipe lächelte.
    «Natürlich ist es völlig idiotisch», sagte er laut. Wieder lächelte er und entblößte dabei auf eine seltsam sinnliche Weise die Zähne.
    «Eine wunderbare Idee, aber so undurchführbar, dass es sich wirklich nicht lohnt, darüber nachzudenken.»
    Von nun an dachte Adolph Knipe über nichts anderes mehr nach. Die Idee faszinierte ihn ungemein, anfangs nur deswegen, weil er sich ausmalte, wie schön es wäre, mit ihrer Hilfe an seinen schlimmsten Feinden teuflische
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher