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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt
Autoren: Ludwig Laher
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unauffälligen Silberschmuck, was der Hausherrin unpassend vorkam, als Frau eines reichen Mannes müßte sie sich doch längst Gold leisten können, das Zeug an ihr sehe, mit Verlaub, recht billig aus. Daß Philipp nicht weiß Gott wie vermögend war und daß ihr, selbst wenn er ein Krösus wäre, Silber immer noch besser gefallen würde als Gold, Monika konnte es Vaters Frau nicht vermitteln. Die deutete vielmehr bei verschiedenen Gelegenheiten relativ unverblümt an, in gewissen Abständen dürfe sich ihre Familie von Monika wohl finanzielle Zuwendungen erhoffen, sie habe es schließlich zu etwas gebracht.
    Niemand von ihnen hatte eine geregelte Arbeit. Wiederholt betonte der Vater, allesamt würden sie trotz der Not ein ehrliches Leben fristen, seit über zehn Jahren habe er keine Gefängnisstrafe mehr aufgebrummt bekommen, Monikas Zweifel an seinen Beteuerungen konnte er damit freilich nicht zerstreuen. Aber da sie aus eigener Erfahrung nur zu genau wußte, wie wenig sich die Gesellschaft für ihren eigenen Rand interessierte, wie sie billigend in Kauf zu nehmen bereit war, daß sich in diesem explosiven Gemisch aus fehlender Bildung, zunehmender Verrohung, zynischer Ausgrenzung und deprimierender Chancenlosigkeit Parallelunterwelten etablierten, von mafiaähnlichen Organisationen kontrolliert, von den Behörden nicht selten augenzwinkernd toleriert und bevölkert von abgestumpften oder verängstigten, letztlich unmündigen Wesen, wie sie die längste Zeit eines zu sein gezwungen war, weil ihr das alles grell vor Augen stand, schien es ihr völlig vermessen, das Maß an Sympathie für die Verwandtschaft von deren Heiligenschein abhängig machen zu wollen.
    Am meisten überraschte es sie, wie gut sie sich mit ihren Halbgeschwistern verstand. Mit Männern wolle sie nichts zu tun haben, erklärte die sechzehnjährige Nela kategorisch und ernsthaft, Monika unterstützte sie in dieser Haltung, obwohl sie für das Mädchen wenig Hoffnung sah, unter den gegebenen Voraussetzungen aus sich etwas machen zu können. Und es bedrückte sie, sich Nela in naher Zukunft auf irgendeinem europäischen Straßenstrich vorzustellen oder als Gebärmaschine in einer Einzimmerhütte um die Ecke.
    Der zwölfjährige Ondrej schien an Philipp einen Narren gefressen zu haben. Er folgte ihm auf Schritt und Tritt, fragte ihm über den Umweg von Monikas Übersetzungskünsten ein Loch in den Bauch und beschloß, wenn er groß sein würde, nach Wien zu gehen und Taxifahrer zu werden. Dabei grinste er spitzbübisch und drehte, um seinen Optimismus und seine Entschlossenheit zu unterstreichen, den Daumen nach oben.
    Nicht eine Sekunde dachte Philipp daran, ihnen Bargeld dazulassen. In den letzten Jahren, so hatte er verschiedentlich gelesen, sei slowakischen Romafamilien des öfteren von wohlmeinenden Organisationen unter die Arme gegriffen worden, wenn es darum ging, Prozesse vorzufinanzieren, um rassistisch motiviertes Unrecht oder simple Übervorteilung des Schreibens und Lesens Unkundiger vor Gericht zu bekämpfen. In der Mehrzahl der von den Roma gewonnenen Fälle seien diese anschließend nicht zu bewegen gewesen, den unverhofften Geldsegen perspektivisch zu investieren, etwa um die dürftigen Behausungen auszubauen, besser auszustatten, die Kinder Schulen besuchen zu lassen und dergleichen mehr. Vielmehr hätten sie ausführlich und tagelang gefeiert, das halbe Dorf dazu eingeladen, sie hätten Spielhallen und Wettbüros aufgesucht, um das Glück weiter herauszufordern, das ihnen offensichtlich endlich gewogen war, denn sie wollten die Richtersprüche nicht als Sieg des Rechts begreifen, sondern als glückliche Fügung.
    Völlig perplex sei sie gewesen, erzählt Monika, als Philipp unmittelbar vor ihrer dritten Slowakeireise davon sprach, sich dort leerstehende ältere Häuser anschauen zu wollen, die seien spottbillig für unsere Verhältnisse, habe er im Internet herausgefunden, besonders auf dem Land und in ukrainischer Grenznähe. Was würde sie dazu sagen, der Familie des Vaters solchermaßen unter die Arme zu greifen? Sie habe sich mit dieser Vorstellung überfordert gefühlt und die Entscheidung ihm überlassen.
    Und als sie zehn Tage später zurückkamen, waren die beiden stolze Besitzer eines relativ gut erhaltenen, weiß getünchten einfachen Bauernhauses mit zweitausend Quadratmeter Grund, keine fünf Kilometer von der windschiefen Romasiedlung entfernt. Monikas Verwandte, denen sie, von den Betriebskosten einmal abgesehen,
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