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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt
Autoren: Ludwig Laher
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unentgeltliches Nutzungsrecht einräumten, zogen kurz darauf mit Sack und Pack um, für sie bedeutete Philipps Angebot einen wahren Quantensprung an Lebensqualität. Sie halten einige Hühner dort, haben viel mehr Platz, und die ehemaligen Stallungen sowie die Wiese hinter dem Haus wurden kurzerhand in eine zunächst inoffizielle, seit kurzem sogar konzessionierte kleine Gaststätte umfunktioniert, ein bescheidener Zuverdienst ist das. Getränke würden die beiden ausschenken, ein oder zwei einfache Speisen gäbe es jeden Tag, und das Haus hielten sie peinlich sauber und gepflegt, berichtet Monika. Mittlerweile könne sie ihren Vater so nehmen, wie er nun einmal ist, ihr komme im Abstand geradezu lächerlich vor, was sie alles in ihn hineinprojiziert habe. Das sind nicht exakt ihre Worte, aber es ist genau das, was sie sagt.
    Perspektiven für die Leute dort sieht Monika indessen nicht viele. Mit jeder neuen Generation, will ihr scheinen, würde jene Hälfte der Roma in ihrer ursprünglichen Heimat, die oft nur ein paar hundert Meter neben schmuck renovierten Innenstädten ein ausgestoßenes, menschenunwürdiges Dasein friste, mehr und mehr an nützlichen Fertigkeiten vergessen und verlernen. Als einzige Lebensaufgabe bleibe ihnen, sich irgendwie durchzulavieren und die Ellbogen massiv einzusetzen dafür. Selbst der Zusammenhalt in den Großfamilien breche dramatisch weg, und ohne weiteres fänden sich manche Eltern bereit, siebenjährige Mädchen um ein paar hundert Kronen an einschlägige Touristen aus dem Westen zu vermieten, die von teuren Reisen in den Fernen Osten auf billige in den ganz nahen umgestiegen sind.
    Steffi heißt die getigerte Katze, die Charlie abgelöst hat, weil sie alleine besser zurechtkommt als der Hund. Schon seit einigen Minuten streicht sie um die Stuhlbeine, jetzt maunzt sie ungeduldig und begehrt nachdrücklich Freßbares. Monika steht auf und öffnet eine Dose Tierfutter, während sie laut darüber sinniert, wie zynisch es ihr vorkommt, daß Mädchen dann mit achtzehn ganz legal kommerziell verwertet werden dürfen. Die meisten sind immer noch Kinder, sagt Monika, und viele gehen kaputt. Mir kommt das vor wie mit den jungen Soldaten, wenn sie achtzehn sind und in den Krieg geschickt werden.
    Zwischen Philipp und ihr, wechselt Monika nach einer kurzen Pause das Thema und schmunzelt dabei, zwischen Philipp und ihr gebe es übrigens erhebliche Auffassungsunterschiede über die Zahl ihrer zukünftigen Kinder. Zehn wolle sie, er höchstens zwei. Aber mit den zehn werde es sich soundso nicht ausgehen, denn ihr schwebe nach den letzten Deutschprüfungen eine Ausbildung zur Altenpflegerin vor, die möchte sie auf alle Fälle vorher abschließen, und ein bißchen Praxis gleich im Anschluß wäre auch nicht schlecht.
    Im Moment arbeitet sie vierzig Stunden in der Woche als Zimmermädchen in einem renommierten Hotel. Zum ersten Mal im Leben hat sie ein eigenes Konto auf der Bank, erhält sie allmonatlich ein regelmäßiges Einkommen überwiesen. Wenn es auch nicht sehr viel ist, ihr bedeutet es umso mehr. Und sie hat gelernt, sich ihr Geld einzuteilen. Philipp hat eine Zeitlang beim Arbeitsmarktservice gejobbt, jetzt pendelt er wieder nach Wien, fährt vier Nächte pro Woche Taxi, aber er kann im Stundentakt den Zug nehmen, und ganz so weit wie aus Tschechien ist der Weg nicht.
    Monika hört seit einigen Monaten gern, sehr gern schwarze Musik, wie sie sagt. Aber sie meint damit weder Blues noch Gospel, Rap oder Hip Hop, sondern traditionelle, von den Bedürfnissen der Ethnomusikfreaks noch nicht angekränkelte Romamusik aus der Slowakei. Nicht nur mit dem Vater hat sie sich arrangiert, sondern auch mit der Tatsache, ausgerechnet als Romni und im Elend zur Welt gekommen zu sein. Sie ist weit davon entfernt, stolz auf ihre Herkunft zu sein, aber längst hat sie aufgehört, deswegen mit dem Schicksal zu hadern. Wenn sie gefragt wird, woher sie komme, sagt sie jetzt öfters, sie habe einen indischen Hintergrund. Das ist nicht einmal falsch, und Leute, die, gäbe sie sich als Romni, als Zigeunerin zu erkennen, mit großer Wahrscheinlichkeit die Nase rümpfen würden, finden ihren indischen Background geradezu faszinierend.
    Vor einigen Wochen ist Philipp mit zwei Leih- DVDs heimgekommen, aufwendigen, professionell gemachten Bollywood-Produktionen. Monika hat diese für hiesige Sehgewohnheiten meist schwülstigen indischen Epen ungemein genossen, vor allem die vielen Musik- und Tanzszenen, die bunten
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