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Und keiner wird dich kennen

Und keiner wird dich kennen

Titel: Und keiner wird dich kennen
Autoren: Katja Brandis
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Treppenstufen hoch, ihr Herz hämmert. Schnell holen sie die Koffer aus der Abstellkammer, ihre Hände sind ungeschickt vor lauter Eile. Die Polizisten haben anderes zu tun, als auf sie zu warten, mehr als eine halbe Stunde Zeit ist nicht zum Packen.
    »Nur ganz wichtige Sachen und ein bisschen Anziehkram«, schärft Lila Elias ein. Dann steht Maja in ihrem Zimmer, sieht sich hilflos um. Was ist wichtig, was nicht? Als Erstes natürlich ihr Laptop, auf dem ihre Daten und Fotos sind, der kommt in ihren Rucksack, sie schiebt noch den MP3-Player und ein paar Zeugnisse dazu, ihre Bankkarte und das Fotobuch, das sie und Lorenzo mit gemeinsamen Bildern gestaltet haben. Die Riesenmuschel, die sie von ihrem Vater bekommen hat, muss mit, und ihre Sammlung von Vogelfedern, die nimmt nicht viel Platz weg. Drei ihrer Lieblingsbücher, die wichtigsten. Ihr Schmuckkästchen aus Spanien mit schwarz-weißen Einlegearbeiten aus Holz, das hat ihr Lila aus dem Urlaub mitgebracht. Die edle Schreibfeder, die Lorenzo ihr mal geschenkt hat. Maja hat sich furchtbar mit Tinte bekleckert, als sie die ausprobiert hat. Was ist mit ihrer Gitarre? Muss wohl dableiben, die Transporttasche ist kaputt, und außerdem ist sie zu sperrig. Zwischendurch wirft Maja immer wieder Blicke aus dem Fenster, bemerkt eine Bewegung in der Dunkelheit – dort draußen ist jemand! Nur irgendein Nachbar, der mit seinem Hund spazieren geht? Robert Barsch? Nein, kann nicht sein, noch nicht, aber vielleicht einer seiner Komplizen? Instinktiv hält Maja sich vom Fenster fern, die Angst krallt sich in ihren Magen.
    Was geschieht mit ihrem kleinen Zitronenbaum, den sie selbst gepflanzt hat und der jetzt auf dem Fensterbrett die Blätter ausbreitet? Wird wohl vertrocknen. Die Patchwork-decke, die Oma ihr gemacht hat und auf der Majas Name steht? Muss hierbleiben, viel zu groß, hoffentlich wirft die keiner in die Altkleidersammlung. Es ist eine ihrer wenigen Erinnerungen an Oma Helene, die vor einem Jahr gestorben ist. Schon spürt Maja, wie Tränen in ihre Augen drängen. Alles verschwimmt vor ihren Augen, als sie den Kleiderschrank aufreißt, ihre Lieblingsjeans und ein paar andere Klamotten herauszerrt. Zahnbürste, Deo, Bürste.
    Auch Elias weint, er hat einen kleinen Berg mit Spielzeug im Flur angehäuft, über den jetzt alle drüberstolpern. »Das ist zu viel, das können wir nicht mitnehmen«, wiederholt Lila immer wieder, während sie Pässe, Impfausweise und ihr Tagebuch in ihre lederne Umhängetasche stopft. Aber dann ist es doch Lila, die das meiste Gepäck hat, gerade verfrachtet sie mehrere Akten über den Prozess gegen Robert Barsch in einen Pappkarton.
    Maja zwingt sich zur Geduld und hilft dem schniefenden Elias, seine Sachen in ganz wichtige und weniger wichtige zu sortieren – Lila ist dafür anscheinend zu nervös. Als Maja ihn ganz fest umarmt, beruhigt sich Elias nach und nach wieder. Gemeinsam bringen sie sein Zeug in einem der Koffer unter.
    »Ich muss noch mal auf den Dachboden, wir nehmen noch die Reisetasche mit«, ruft Lila und hastet ins Treppenhaus.
    Maja weiß, das ist ihre Chance. Hastig rennt sie in ihr Zimmer zurück, reißt ein Stück Papier aus dem Drucker, kritzelt ein paar Worte für Lorenzo darauf.
    Liebster Lorenzo, wir müssen weg, es liegt nicht an dir.
    Ich liebe dich! Maja
    Rein in den Umschlag und Briefmarke drauf, zum Glück hat sie noch ein paar da, obwohl sie selten Briefe schreibt. Gut, dass es eine dieser selbstklebenden ist, Majas Mund ist so trocken, dass sie es nicht geschafft hätte, eine Marke anzulecken. Jetzt muss sie den Brief nur noch einwerfen, erst mal bleibt er in ihrer Jackentasche.
    Höchste Zeit zu gehen. Hier zu sein fühlt sich an, wie in der Mitte einer Zielscheibe zu sitzen. Was ist, wenn jemand in der Nähe lauert, wenn er dem Polizeiauto folgt und so auf ihrer Spur bleibt? War es ein Fehler, überhaupt noch einmal herzukommen?
    »Mein Vulkan!«, schluchzt Elias. Er reißt sich von Lilas Hand los und rennt zurück in sein Zimmer, der vollgepackte Schulranzen rumpelt auf seinem Rücken. Aber der Vulkan ist zu groß, sie können ihn kaum tragen, und bepackt mit Koffern schon gar nicht.
    »Wir basteln dir einen neuen«, verspricht Lila hastig und zerrt Elias praktisch die Treppe hinunter. Sie wirft noch schnell den Hausschlüssel und eine kurze Notiz, dass sie unerwartet wegmüssen, bei den Nachbarn ein. Dann hasten sie zum Polizeiauto, das mit abgeblendetem Licht in der Feuerwehrzufahrt wartet. Zum
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