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Und keiner wird dich kennen

Und keiner wird dich kennen

Titel: Und keiner wird dich kennen
Autoren: Katja Brandis
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»Ich ... ich weiß nicht ... wir ...«
    Tröstend legt Nina Koretzki ihr die Hand auf den Arm. »Denken Sie ganz in Ruhe nach. Sie können auch mein Telefon benutzen. Ihr bisheriges Handy lassen Sie besser ausgeschaltet, besorgen Sie sich möglichst bald ein neues Prepaid – du auch, okay?« Sie blickt Maja an und Maja nickt.
    Die Polizeibeamtin gibt ihnen die Nummer des Weißen Rings, einer Opferschutzorganisation; die hätten einen Spezialisten für neue Identitäten und könnten vielleicht auch mit ganz praktischen Dingen wie dem Handy helfen. Dann geht sie für Lila und Maja einen Kaffee holen, vielleicht auch, damit sie in Ruhe nachdenken können.
    Inzwischen hat Lila sich wieder etwas erholt, erleichtert sieht Maja, dass ihre Mutter entschlossener aussieht, nicht mehr so hin- und hergerissen ist zwischen lähmender Angst und Wut. Früher war sie oft so fertig, dass sie beim kleinsten Anlass in Tränen ausgebrochen ist und fast nichts mehr auf die Reihe bekommen hat. Ohne ihren Therapeuten Dr. Salzmann ging in dieser Zeit gar nichts mehr. Und Maja ging es nicht viel besser. Aber in den letzten drei Jahren haben wir Kraft gesammelt, denkt Maja. Drei Jahre normales Leben ... sind die jetzt vorbei, einfach so? Noch kann Maja es nicht begreifen, der Gedanke weigert sich, einzusinken.
    »Lasst uns mal überlegen, wo wir unterkommen könnten«, sagt Lila und gibt Elias einen Kuss auf die Nasenspitze. Majas kleiner Bruder sieht so verloren aus wie ein Tier, das man ausgesetzt hat. Auch er scheint langsam zu begreifen, dass sich vieles ändern wird, so oder so.
    »Wie wäre es mit einem Hotel?«, schlägt Maja vor. »Oder ist das zu teuer?« Es ist ein seltsames Gefühl, dass sie noch nicht weiß, wo sie heute übernachten wird. Oder die Tage danach.
    Lila verzieht das Gesicht. »Die Hotels in der Gegend wird er garantiert abtelefonieren. Besser wäre irgendein privates Ferienhaus oder ein Gästezimmer in einem Haus.« Sie überlegen schweigend, dann wählt Lila von Frau Koretzkis Apparat aus eine Nummer. »Eine Kollegin von mir. Rosi. Teamassistentin«, sagt sie dabei, ohne aufzublicken. »Die hat mal angeboten, mir zu helfen. Sie hat selber schon Probleme mit einem Stalker gehabt, sie weiß, wie das ist. Hoffentlich ist sie noch nicht heimgefahren, ich hab nur ihre Büronummer.«
    Das Wunder geschieht – diese Rosi ist nicht nur da, sondern ihre Mutter hat auch ein Haus am Stadtrand, in dem mehrere Zimmer leer stehen, seit ihr Mann gestorben ist und die Kinder aus dem Haus sind.
    »Sie ruft gleich bei ihrer Mutter an und fragt, ob das in Ordnung geht«, sagt Lila, und schweigend warten sie. Warten. Warten. Auch Elias sagt kein Wort.
    Lila ruft noch einmal an. Besetzt. Die Zeit dehnt sich endlos, während sie in diesem fremden Büro sitzen, zu sagen gibt es nichts mehr. Maja lässt den Blick über Akten und Flyer wandern. Elias’ kleine, schwitzige Hand wandert zu ihrer und sie halten sich aneinander fest. In der anderen Hand – ihr ausgeschaltetes Handy. Schon Viertel nach sechs. In weniger als einer Stunde ist sie mit Lorenzo verabredet, sie muss ihm doch Bescheid sagen, was los ist, dass sie wahrscheinlich nicht kommen kann ... soll sie darum bitten, dass sie ihn über dieses Bürotelefon anrufen kann? Doch ihre Lippen scheinen aufeinanderzukleben.
    Frau Koretzki kommt mit dem Kaffee zurück und hat sogar einen Kakao für Elias organisiert. Dankbar trinken sie, obwohl Maja der Kaffee unglaublich bitter vorkommt.
    Die Finger der Beamtin klackern über die Tasten, sie schreibt schon mal ihren Bericht. Zehn Minuten später versucht Lila es wieder bei ihrer Arbeitskollegin. Während sie zuhört und nickt, beginnen ihre Augen seltsam zu schimmern. Maja ist alarmiert. Was ist denn jetzt los, warum weint sie? Klappt es doch nicht?
    »Alles okay«, sagt Lila, als sie auflegt. »Es gibt doch noch nette Menschen.«
    Maja wird klar, dass es Tränen der Erleichterung sind.
    Ihre Mutter wendet sich an die Hauptkommissarin. »Aber was ist mit unseren Sachen?«
    Nina Koretzki bittet zwei Kollegen, Lila, Maja und Elias noch einmal zu ihrer bisherigen Offenbacher Wohnung zu fahren, das Familienauto muss hier stehen bleiben, es ist ein roter Toyota, der ist in den nächsten Monaten viel zu auffällig. Leicht zu verfolgen. »Denken Sie daran – zu keinem ein Wort«, gibt ihnen die Polizeibeamtin noch mit. »Ihr Leben kann davon abhängen, dass Sie dichthalten.«
    Und dann – daheim. Maja sprintet die vertrauten
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