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... und ich höre doch!: Ein technologisches Abenteuer zwischen Silicon Valley und den Alpen (German Edition)

... und ich höre doch!: Ein technologisches Abenteuer zwischen Silicon Valley und den Alpen (German Edition)

Titel: ... und ich höre doch!: Ein technologisches Abenteuer zwischen Silicon Valley und den Alpen (German Edition)
Autoren: Geoffrey Ball
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einen beschränkten Eindruck, auch wenn wir sehr intelligent sind. Durch das verminderte Hörvermögen können wir auch die Lautstärke unserer Stimme nicht abschätzen und erscheinen oft laut und unerträglich. Wir geraten in viele peinliche und verwirrende Situationen, ohne dabei sozialen Regeln folgen zu können.
    Warum sprechen Menschen automatisch leiser, wenn sie einem näher kommen? Das passiert jedes Mal und ist zum Wahnsinnigwerden. Auch beginnen Leute viel zu laut zu sprechen, ja sogar zu schreien, wenn sie sich mit einer schwerhörigen Person unterhalten. Dazu verwenden sie dann noch ein vereinfachtes Vokabular. Und meinen sie es besonders gut, beginnen sie noch wild zu gestikulieren.
    „ Geoffrey!!! Ich will, dass du, duhu! liest! DIESEN SATZ! VOR DER KLASSE! VOR DER KLAAAAASSE! VOR DEEER KLAAAASSE !“ Heftige Gesten, Finger, die aufgeregt auf einen Absatz zeigen, während einen alle anderen Schüler verwirrt anstarren.
    Da will man im Boden versinken. Ich erstarrte dann oft in einem verlegenen Schockzustand, versuchte fieberhaft die richtigen Worte zu finden, das Richtige zu sagen und verstummte gleichzeitig völlig angesichts dieser Idiotie.
    Solche Verhaltensweisen sind nicht nur auf Gespräche mit Hörgeschädigten beschränkt. Als sie von meinem Gehörverlust erfuhr, setzte mich eine meiner Lehrerinnen sofort in die erste Reihe und begann dann mit Riesenbuchstaben und in Rot auf die Tafel zu schreiben. Immer wenn ich in der Klasse war, holte sie die rote Kreide hervor und schrieb drei Mal so groß wie sonst. Klar, wer nichts hört, ist auch dumm und kann daher von großer Schrift in Rot nur profitieren. Ich saß nur stumm, erstarrt vor Peinlichkeit, und war niedergeschmettert.
    Natürlich wollte ich oft schreien: „Was machen Sie da? Ich kann doch gut sehen! Ich will nicht in der ersten Bank sitzen. Ich brauche keine extragroßen Buchstaben! Die anderen Kinder werden mich für einen Idioten halten!“ Doch ich wand mich nur jeden Tag vor Erniedrigung, fühlte mich schutz- und wehrlos den besten Absichten ausgeliefert, hinter denen aber schlimme Vorurteile steckten.
    Ich bin sicher, dass sich die anderen Kinder nicht annähernd das dachten, was ich mir in meiner jugendlichen Phantasie ausmalte. Aber damals hätte ich mich am liebsten verkrochen. Ich wollte nicht, dass irgendwer erfuhr, und insbesondere nicht meine Kameraden, dass ich anders war. Nachdem mein Gehörverlust diagnostiziert worden war, diente ich Forschern und Studenten, die sich mit dem Gehör befassten, als Fallstudie, und sie besuchten mich häufig. Sie saßen herum und beobachteten mich, manchmal musste ich etwas lesen oder irgendeine Übung machen. Sie zeigten mir neue Wörter, und ich sollte sie aussprechen. Mit Hilfe meiner Mutter, die meinem Bruder und mir jeden Abend vorlas, hatte ich mir schon vor der Schule das Lesen selbst beigebracht, und aus irgendeinem Grund war die Art, wie ich las und wie ich mir neue Wörter aneignete, faszinierend für die Forscher. Ich erinnere mich an viele Fragen, wie ich das Lesen eigentlich gelernt hatte, was ein einzelnes Wort im Zusammenhang mit anderen bedeutete usw.
    Es ist faszinierend, dass ich nie gelernt hatte, Wörter vom ersten bis zum letzten Buchstaben zusammenzusetzen, wie es üblicherweise geschieht. Ich las, indem ich die Muster von Wörtern und Sätzen erkannte. Genau werde ich freilich nie wissen, was für die Forschung an meiner Art zu lesen, Worte auszusprechen und zu hören so interessant war.
    Ich kann mich an eine Studentin erinnern, die viel Zeit mit mir verbrachte und mir Folgendes erklärte: „Du bist deshalb so interessant für uns, weil du das nicht so wie andere machst, und daher wollen wir verstehen, wie du es machst, damit wir dir und anderen besser helfen können.“
    Das absolut Letzte, was ich damals wollte, war natürlich, anders als die anderen zu sein. Ich vermutete, dass sie irgendeinen Grund suchten, mich aus der Serra-Schule zu nehmen und in eine Schule für Taube zu stecken. Ich wollte kein „Fall“ für die Forscher sein. Vielleicht erinnere ich mich nicht so genau, was wirklich so interessant für sie war, aber ich erinnere mich, dass für mich das einzig wirklich interessante Konzept vieler Heilpädagogen und Sprachtherapeuten, die mit mir arbeiteten, eines war: Lippenlesen.
    Ich bekam spezielle Betreuung, um Lippenlesen zu lernen. Ich war nicht das einzige Kind an der Serra-Schule, das besondere Beachtung und Betreuung erhielt. Unserer kleinen
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