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Und fuehre mich nicht in Versuchung

Und fuehre mich nicht in Versuchung

Titel: Und fuehre mich nicht in Versuchung
Autoren: Vera Bleibtreu
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einfach gesorgt hatte, gelitten hatte wie ein Hund. Plötzlich war ihr alles egal. «Es tut mir leid. Natürlich haben Sie keine Fürsorge nötig. Ich hatte nur Angst, daß Sie in Lebensgefahr sind, daß der Mörder Sie findet, bevor Sie ihn entdecken, oder daß Sie sich mit dieser Iran-Irak-Geschichte bei den falschen Leuten in Erinnerung bringen.» Sie zögerte, riskierte dann alles: «Ich hätte es einfach nicht ertragen, wenn Ihnen etwas zugesto-
    ßen wäre.» Sie schwieg erschöpft. «Wer war es?» fragte  Jacobi. «Es war Jens Maistrom», erzählte Tanja. «Strengge-nommen war es auch kein Mord, sondern Totschlag. Er hat Vogel im Affekt erschlagen, als der sein Kapital aus dem Schwalbacher Hof abziehen wollte. Da hat er rot gesehen und mit einer Weinflasche zugeschlagen. Der Mann kämpft übrigens gerade selbst mit dem Tod. Er hat versucht, seine Lebensgefährtin, meine Freundin Susanne Hertz, zu erwürgen, als die durch einen Zufall alles entdeckte. Susanne wehrte sich mit einem Schuh.» «Mit einem Schuh?» unterbrach Jacobi verblüfft. «Ja, mit einem Schuh. Susanne hat einen Schuhtick, das hat ihr wahrscheinlich das Leben gerettet. Der besagte Schuh war eine Sandale mit einem 5-Zentimeter-Metallabsatz. Ganz schön schwer, ich habe sie selbst in der Hand gehalten. Damit kann man schon gut zuschlagen, und das hat Susanne auch getan, mit der Kraft der Verzweiflung.» Jacobi schwieg einen Moment. «Wie geht es Ihrer Freundin?» Tanja lachte. «Sie hat alles gut überstanden. Glücklicherweise hatte sie sich mit ihrem Professor verabredet, und der hörte hinter der Tür ihr Stöhnen und rief die Polizei. Sie war ohnmächtig, und es hätte übel ausgehen können, wenn dieser Theologe sie nicht entdeckt hätte. Jetzt liegt sie im Krankenhaus und sorgt sich am meisten um ihren Freund – äh, Ex-Freund. Pfarrer sind schon ein komisches Völkchen.» Jacobi schmunzelte hörbar.
    «Sie behalten sie noch zur Beobachtung da, aber morgen oder übermorgen soll sie entlassen werden.» Tanja schwieg.
    Ihr fiel nichts mehr ein, die Worte schienen sich in sie zurückzuziehen. «Und Sie», fragte Jacobi, und seine Stimme klang plötzlich ganz warm und voll, «wie geht es Ihnen?» Tanja schluckte. Was sollte sie antworten? «Mir geht es prima, einmal abgesehen davon, daß ich jede Nacht mein Kissen vor Sehnsucht nach Ihnen naß weine und  meinem Kollegen mit meinen für ihn unerklärlichen Stim-mungsschwankungen auf den Geist gehe. Oder: Bitte kommen Sie doch möglichst schnell vorbei und schlafen Sie mit mir. Oder: Könnten Sie sich vorstellen, Ihr Leben mit einer 30 Jahre jüngeren, ungebildeten Polizistin zu verbringen, die von der Welt bisher nur Mainz und die Eifel gesehen hat? Oder: Können Sie bei Ihrer nächsten Reise nach Südafrika zwei Tickets buchen, haha?» «Wie geht es Ihnen?»
    fragte Jacobi noch einmal. «Ach, gut», antwortete Tanja lahm. «Ich fliege nächste Woche nach Rumänien, ich bin da für ein Jahr im Auslandseinsatz.» «Das ist ja hochinteres-sant. Rumänien kenne ich gut, da haben Sie eine anspruchsvolle Aufgabe.» «Na wunderbar, er kennt Rumänien gut, was kennt der Mann eigentlich nicht?» dachte Tanja. «Ja, es wird bestimmt ganz interessant», sagte sie statt dessen laut, und der Satz klang selbst in ihren Ohren furchtbar banal.
    Wieso konnte sie jetzt nicht sprühend und lebendig erzählen und diesen Menschen mit ihrer Persönlichkeit faszinieren? Sie holperte durch dieses Gespräch wie ein Traktor über den Rübenacker. «Tja, dann wünsche ich Ihnen einen guten Flug und eine erfolgreiche Zeit», sagte Jacobi. «Und danke, daß Sie mich angerufen haben.» Es knackte in der Leitung, er hatte aufgelegt. Tanja warf sich auf ihr Bett und weinte und schluchzte so hemmungslos, daß sie nicht einmal hörte, daß Arne an ihrer Wohnungstür klingelte. Aber sie hätte ihm auch dann nicht aufgemacht, wenn sie es gehört hätte.

    * * *
    Der Frankfurter Flughafen war so ungemütlich wie immer.

    Susanne und Arne standen neben Tanja in der Schlange vor  dem Check-In. Keinem fiel irgend etwas Intelligentes ein, so schwiegen sie, bis Tanja ihre Koffer auf das Förderband gewuchtet und ihre Bordkarte entgegengenommen hatte.
    «Tja, dann geh ich wohl mal durch die Kontrolle», meinte sie. «Ich werde euch zwei in Bukarest ganz schön vermissen.» Arne scharrte verlegen mit den Füßen. «Schreib mal
    ’ne Karte. Meine Telefonnummer hast du ja auch. Und wenn du da bist, kannst du uns ja deine
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