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Und fuehre mich nicht in Versuchung

Und fuehre mich nicht in Versuchung

Titel: Und fuehre mich nicht in Versuchung
Autoren: Vera Bleibtreu
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ich die Vereinbarungen mit Steffen Vogel nicht eingehalten. Ich habe ihn geliebt.»
    Wiebke Steinmann lächelte nicht mehr. Sie geleitete Tanja und Arne schweigend zum Ausgang und schloß nach drücklich die Tür hinter ihnen. Der weiße Kies knirschte vernehmlich unter ihren Sohlen, als sie zum Tor gingen.
    Tanja schien es, als hätten die Löwen plötzlich einen höh-nischen Zug um den Mund.

    * * *
    «Etwas mulmig ist mir schon», sagte Arne, als sie gemeinsam in dem alten Opel zurückfuhren. «Warum denn?»

    fragte Tanja geistesabwesend, sie war in Gedanken noch ganz bei dem Gespräch mit dieser merkwürdigen Frau.
    «Jetzt haben wir zwei Personen, die neben uns nach dem Mörder von Steffen Vogel suchen, und ich habe das eigen-artige Gefühl, als ob einer von ihnen vor uns am Ziel sein könnte.» Arnes Worte trafen Tanja wie eine Faust in den Magen. «Schau mal, wie brutal sie hier die Hochhäuser hingeklotzt haben», sagte sie mit Blick auf die «Skyline», an der sie gerade vorbeifuhren. Ihre Stimme krächzte, sie markierte einen kleinen Hustenanfall. Arne sollte auf keinen Fall merken, daß sie Tränen in den Augen hatte. Er hatte ausgesprochen, was sie die ganze Zeit befürchtet hatte: Jacobi könnte den Mörder vor ihnen entdecken und sich in Lebensgefahr befinden. «Von außen sind sie nicht gerade schön», meinte Arne zu den Hochhäusern, «aber innen sind sie gar nicht schlecht. Ich hatte mal eine Freundin, die wohnte in einer Maisonette-Wohnung in der Elsa-Brändström-Straße 8. Beim Frühstück hatten wir einen Superblick über den Rhein bis weit in den Taunus hinein.
    Die Aussicht habe ich später mehr vermißt als die Frau.»
    «Du bist und bleibst ein Chauvi, Arne», lachte Tanja. Sie war froh, daß er offenbar nichts von ihrer Gefühlsregung gemerkt hatte. Dann wurde sie wieder ernst. «Dieser Stef fen Vogel ist wirklich ein unheimlicher Mensch gewesen.
    Ich bin froh, daß ich ihm nicht begegnet bin. Wer weiß, wozu er mich gebracht hätte. Ich habe so ein Gefühl, als ob die Menschen, die ihm begegnet sind, sich selbst durch ihn auf eine so umstürzende Art kennengelernt haben, daß sie sich ganz fremd geworden sind.» Arne grunzte. «Ich wußte gar nicht, daß du so tiefsinnig sein kannst, Tanja. Du könntest direkt anfangen, Theologie zu studieren. Am Ende färben die Joggingtouren mit Susanne auf dich ab. Aua!» Er rieb sich den Arm dort, wohin Tanja ihn ziemlich fest geboxt hatte. «Such dir doch mal ‘ne andere Stelle aus, da war noch der blaue Fleck von deinem letzten Übergriff.
    Übrigens, hast du während unseres Gesprächs mit dieser arktischen Lady daran gedacht, daß auch Sie es gewesen sein könnte, die Vogel den finalen Kick gegeben hat?»
    Tanja schreckte aus ihren Gedanken auf. «Wieso denn das?
    Sie hat ihn doch geliebt, sagte sie. Und ich habe ihr geglaubt.» Arne nickte. «Ich auch. Eine Frau, deren Liebe nicht erwidert wird, ist gefährlicher als ein hungriger Tiger.
    – Indisches Sprichwort», ergänzte Arne auf Tanjas ver-wirrten Blick hin. «Im Ernst – wenn dieser lebende Kühlschrank entflammt wird und es gibt keine Gegenliebe, dann möchte ich nicht wissen, zu was sie fähig ist. Und –  hat sie gesagt, daß Steffen Vogel sie zurückgeliebt hat? Sie hat es nicht gesagt. Sie braucht es auch nicht zu sagen. Ich weiß, daß er niemanden geliebt hat. Und ich weiß, daß sie darunter gelitten hat wie ein zu Tode verletztes Tier.»

    * * *
    Urs Bernhardt hatte sich am Telefon die Traueransprache für Steffen Vogel vorlesen lassen. Wie versprochen hatte  Susanne ihn angerufen und lange von den bewegenden Ereignissen erzählt. Urs Bernhardt freute sich, daß er mit seinen Gedanken Susanne hatte weiterhelfen können.
    «Können Sie mich auch beerdigen, Frau Hertz?» meinte er scherzend. «Ich möchte das testamentarisch festlegen, bei Ihnen wüßte ich mich in guten Händen, bei jemand ande-rem müßte ich am Ende empört aus dem Sarg springen.»
    Urs lachte. Sie hörte, wie er beim Telefonieren im Raum hin- und herging. Ruhig sitzen bleiben konnte dieser Mann wirklich nicht. Im Hintergrund hörte sie die Klänge einer Verdi-Oper, sie konnte sich gut vorstellen, wie Urs Bernhardt zum Klang der Musik um die Bücherstapel her-umtänzelte. Jetzt raschelte es, wahrscheinlich suchte er nebenher eine Notiz auf seinem chaotischen Schreibtisch.
    Susanne fragte sich, wie ein Mensch in einer Atmosphäre, die an den Zustand der Welt vor dem Schöpfungsakt erinnerte, nur einen
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