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Und fuehre mich nicht in Versuchung

Und fuehre mich nicht in Versuchung

Titel: Und fuehre mich nicht in Versuchung
Autoren: Vera Bleibtreu
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und fing dann an, Arne und Tanja von ihrer Beziehung zu Steffen Vogel zu berichten. «Selbstverständlich haben mein Mann und ich nicht aus Liebe geheiratet», sagte sie ohne eine sichtbare Gefühlsregung.
    «Die Liebe war mich zuvor auch teuer genug zu stehen gekommen. Ich hatte für meinen ersten Mann mit meinem Vermögen gebürgt. Als sein Unternehmen an der Börse floppte, hat er unsere Konten und, soweit es ihm möglich war, auch die Konten des Unternehmens aufgelöst und sich in die Karibik abgesetzt. Als sie ihn fünf Jahre später gefunden und festgenommen hatten, war nichts mehr von dem Geld übrig – zumindest haben sie nichts gefunden.
    Mein Mann hat behauptet, er hätte es verbraucht. Ich weiß, er hat irgendwo noch Reserven, aber ich weiß auch, daß ich keine Chance habe, mein Vermögen wiederzube-kommen. Es ist für mich verloren. Schlimmer war aber, daß  mit seiner Flucht auch diese Liebe zerstört wurde. Ich hätte alles mit ihm gemeinsam durchgestanden: eine Insolvenz, einen Neuanfang, was auch immer, vielleicht auch eine gemeinsame Flucht, obwohl es nicht meine Art ist davon-zulaufen. Daß er mich verlassen hat, zwang mich, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen: Ich war für ihn nur interessant, weil ich Geld hatte. Geliebt hat er mich nicht. Er sitzt jetzt in der JVA Butzbach, ich habe ihn nie wieder gesehen, noch nicht einmal bei dem Prozeß. Wir sind seit sechs Jahren geschieden, ich habe sofort die Scheidung ein-gereicht, als mir klar wurde, daß er ohne mich geflohen war und mich verlassen hatte. Finanziell war ich natürlich rui-niert. Ich hatte mein Vermögen verloren und mußte für Franks Schulden geradestehen. Schlimmer war: ich wußte, daß ich nicht mehr lieben konnte. Ich war in meiner ganzen Existenz zerstört worden. Drei Monate nach Franks Verurteilung traf ich Reiner Lobschütz auf einer Vernis-sage. Er sprach mich an, wir trafen uns zum Essen. Er hatte gerade seine zweite Frau verlassen, und ich entsprach seinen Vorstellungen: jung, blond, gebildet, vorzeigbar. Er machte mir in angemessener Form den Hof. Meine Vergangenheit störte ihn nicht, es gab selbstverständlich einen Ehevertrag. Ich habe ihn geheiratet, weil ich lieber in einer Villa einsam bin als in einer muffigen Zweizimmerwoh-nung im Frankfurter Norden. Anke, Reiners zweite Frau, hat dieses Haus eingerichtet. Es entspricht selbstverständlich nicht meinem Geschmack. Aber um es nach meinen Vorstellungen umzuformen, müßte ich es komplett abrei-
    ßen, inklusive der Garage.» Wiebke Steinmann lächelte leicht, zum ersten Mal in diesem Gespräch. Es war ein Lächeln feiner Ironie. Sie trank einen Schluck Orangensaft, stand auf, ging zur Hausbar und bediente sich mit Eiswür feln. Dann kehrte sie wieder zu ihrem Platz zurück. «Es ist mir auch gleichgültig, wie es hier aussieht. Das ist sowieso nicht mein Zuhause. Ich wohne hier nur. Aber, wie gesagt, es ist komfortabler als der Frankfurter Norden, wo ich zuletzt gewohnt habe.» Sie schwieg einen Augenblick.
    Tanja und Arne warteten gespannt. Keiner von beiden hatte das Bedürfnis, Wiebke Steinmann in ihrem Bericht zu unterbrechen. «Reiner ist insgesamt nicht sehr anspruchsvoll, schließlich ist er auch nur selten zu Hause.
    Er möchte, daß ich mich immer zur Verfügung halte, wenn er mich braucht: für Empfänge, Einladungen und … anderes. Aber, wie gesagt, er ist auch da nicht anspruchsvoll. Es erfordert keinerlei Anstrengung.» Wieder erschien dieses leichte, ironische Lächeln auf ihrem Gesicht. «Möchten Sie übrigens noch etwas trinken? Wollen Sie jetzt auch ein Wasser oder einen Saft?» Sie wandte sich Tanja zu. «Ja, ein Wasser, das wäre wirklich angenehm», stimmte Tanja dankbar zu, und auch Arne nickte. Wieder erhob sich Wiebke Steinmann und ging zur Hausbar. Tanja beobachtete sie. Nie würde sie diese selbstverständliche Eleganz erreichen, mit der diese Frau sich in ihrem Haus bewegte.
    Zwischen Tanja und Wiebke Steinmann lagen Welten, nie könnte sie, das gestand sich Tanja ein, die Kluft überwin-den, die sich zwischen ihrer kleinbürgerlichen Herkunft und dieser Frau aus besten gesellschaftlichen Kreisen auf-tat. Dabei war Wiebke Steinmann überhaupt nicht arrogant, dazu war sie viel zu vornehm. Sie hatte es nicht nötig, durch Arroganz eine Distanz zu ihren Mitmenschen zu schaffen. Ihre kühle Eleganz umgab sie wie eine schüt-zende Aura, niemand käme auf die Idee, ihr ungefragt zu nahe zu treten. Es brauchte schon einen Mann vom Kali-ber Reiner
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