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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig
Autoren: Faye Kellerman
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Buck schaute als Erster weg. Mittlerweile hatte er die eine
    Hälfte seines Bagels verputzt und machte sich über die zweite her. »Ich glaube, wir haben dieses Thema schon beim letzten Mal abgehakt. Ich weiß nicht, wer Interesse daran gehabt haben könnte, Belinda oder sonst jemanden aus dem Heim Schaden zuzufügen.«
    Eine interessante Antwort, vor allem, weil ich danach überhaupt nicht gefragt hatte. »Hat sich nie jemand von den jungen Leuten mit irgendwelchen Problemen an Sie gewandt? Sich Ihnen anvertraut?«, erkundigte ich mich.
    »Ich stehe ihnen nicht sehr nahe. Mein Job beschränkt sich auf Verwaltungsarbeiten.« »Trotzdem sind Sie den ganzen Tag dort. Sie sprechen doch sicher ab und zu mit ihnen.«
    »Nicht wirklich...« Er zuckte mit den Achseln und verspeiste den Rest seines Bagels. »Abgesehen von einem gelegentlichen >Hallo< oder: >Nein, es ist noch nicht Zeit fürs Mittagessem oder: >Wer hat meinen Hefter gestohlen?< Die jungen Leute registrieren mich gar nicht so richtig. Für sie gehöre ich mehr oder weniger zur Einrichtung, wie die Kaffeemaschine in der Ecke.«
    Da hatte ich aber etwas anderes gesehen. »Ich glaube, Sie stellen Ihr Licht unter den Scheffel«, sagte ich.
    »Ah, ein ansatzweiser Versuch, charmant zu sein.«
    Ich lachte. »Bevor ich es vergesse - was haben Sie in der Nacht getan, in der Belinda ums Leben kam?«
    »Daran erinnere ich mich ehrlich gesagt nicht mehr.«
    »Beim letzten Mal haben Sie eine Freundin erwähnt. Sie waren an dem Tag mit ihr beim Brunch. Im Cafe Romano.«
    »Wenn Sie das sagen.«
    »Verraten Sie mir den Namen Ihrer Freundin?« »Zu der Zeit war das noch Erica Tross. Inzwischen ist die Gute nach New York zurückgezogen.« »Wann?«
    »Vor einem Monat.« Er lächelte. »Aber machen Sie sich keine falschen Hoffnungen, Officer. Ich bin schon wieder mit einer anderen zusammen. Essen Sie Ihren Bagel denn gar nicht auf?«
    Ich schob ihm den Teller hinüber. »Beim letzten Mal sagten Sie, Sie hätten sich in einer Videothek einen Film ausgeliehen.«
    Er nahm die restliche Hälfte meines Bagels in Angriff. »Warum stellen Sie mir all diese Fragen?«
    »Wir wollen keine Möglichkeit außer Acht lassen. Haben Sie noch ein bisschen Zeit?« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Ein paar Minuten. Dann habe ich einen anderen Termin.«
    »Wo leihen Sie Ihre Videos aus?«
    »Den Film von damals hatte ich wahrscheinlich noch von Crystal Video, aber die haben vor ein paar Monaten dichtgemacht.«
    »Ihre Freundin zieht zurück nach New York, Ihre Videothek macht dicht...«
    »Tja, ich habe kein Glück.« Er stand auf und griff nach seiner Sonntagszeitung.
    »Danke. Es war sehr nett, aber leider muss ich jetzt aufbrechen.« Bereits im Gehen fügte er noch hinzu: »Sie dürfen meinen Müll wegräumen.«
    Ich sah ihm nach. Dann stand ich auf und sammelte vorsichtig ein, was er zurückgelassen hatte. Ich soll deinen Müll wegräumen, Buck?
    Mit dem allergrößten Vergnügen.
    Buck hieß eigentlich Bradley Durvain. Seine DNA ergab keine Übereinstimmung. So viel zu meinem Instinkt.
    Aber da ich diejenige war, die den Anstoß zu dieser lächerlichen Befragungsaktion gegeben hatte, sprach ich pflichtbewusst mit sämtlichen Personen, die für das Fordham Center arbeiteten. Als es darum ging, genetische Informationen von Jose einzusammeln, der dort seit zwei Jahren als Hausmeister arbeitete, fuhr ich ins Heim und unterhielt mich in einer Zigaretten-und-Kaffee-Pause mit ihm. Hinterher nahm ich seine Styroportasse und die beiden Zigarettenkippen und steckte sie in zwei separate Beweismitteltüten.
    Erst nachdem ich von der DNA-Übereinstimmung erfahren hatte, fielen mir Sarahs Worte wieder ein, und ich verpasste mir mental eine Ohrfeige. Sie hatte mir die Informationen bereits geliefert, als sie uns das erste Mal von der Gruppenvergewaltigung erzählte, aber ich hatte nicht aufgepasst. Dad und ich hatten sie gebeten, ihre Peiniger zu beschreiben. Sie hatte geantwortet, es seien Mexikaner gewesen... wie der Hausmeister an der Schule, Jose.
    Aber er ist ein netter Mexikaner. Manchmal gibt er uns Süßigkeiten.
    In Wirklichkeit hieß er Hasan Fazul Al-Liby und war Iraker, nicht Mexikaner. Er nannte sich Jose, weil Hispanoamerikaner im gegenwärtigen politischen Klima bessere Aussichten auf einen Job hatten als Araber. Die Tatsache, dass er so ein Dreckskerl war, trug natürlich auch nicht gerade dazu bei, das Ansehen seines Volkes zu fördern. Hasan gab den Mädchen nicht nur Süßigkeiten,
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