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Und dennoch

Und dennoch

Titel: Und dennoch
Autoren: Hildegard Hamm-Bruecher
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überparteiliche Liga der Wählerinnen , um uns Frauen mehr Einfluss und bessere Chancen im öffentlichen Leben zu verschaffen. Nach einigen Anfangserfolgen mussten zwei CSU-Vertreterinnen auf höheren Männerbefehl wieder ausscheiden. Jedwede überparteiliche Zusammenarbeit wurde ihnen untersagt. Aus der Traum vom demokratischen Frauenbündnis! Stattdessen gab es auf lange Zeit wieder nur Einzelkämpferinnen, und leider auch sehr viel Rivalität unter Frauen.
    Später, im Landtag, wurden dann auch ausgerechnet zwei CSU-Abgeordnete zu meinen ärgsten Widersacherinnen. Nach Einführung des Grundgesetzes nahm ich mir besonders den Artikel 3 zu Herzen. Im Absatz 2 heißt es dort: »Männer und Frauen sind gleichberechtigt.« Folglich bemühte ich mich zunächst um die Verbesserung weiterführender gleichberechtigter Bildung für Mädchen. Die wenigen Mädchenschulen, die in Bayern zum Abitur führten, wurden seinerzeit bis auf eine Ausnahme von Kirchen oder Städten getragen. Staatliche Gymnasien waren für Jungen reserviert. Infolgedessen gab es auch sehr viel weniger Abiturientinnen als Abiturienten. Es war eine statistisch bewiesene Tatsache, dass das »katholische Arbeitermädchen
vom Land« so gut wie keine Chance für einen Bildungsaufstieg hatte. Philologinnen erhielten nur in Ausnahmefällen eine Anstellung an staatlichen Gymnasien. Schulleiterinnen, Referentinnen oder Bürgermeisterinnen – Fehlanzeige. Die – angeblich christliche – Parteidoktrin der Konservativen lautete, dass Frauen im öffentlichen Leben wegen ihrer »andersartigen Bestimmung« einfach nicht gleichberechtigt sein könnten und dürften. Dieses letztlich von Männern postulierte Credo galt übrigens bis in die achtziger Jahre hinein nicht nur für die CSU und die von ihr besetzten Ämter, sondern mehr oder weniger für alle anderen Parteien, oft auch aus Konkurrenzgründen.
    So war es dann auch kein Wunder, dass ich mit meiner Aufmüpfigkeit in Sachen Gleichberechtigung und Demokratie einen schweren Stand im Landtag hatte und der allmächtigen CSU nicht nur gelegentlich ein Dorn im Auge war, sondern ein permanentes Ärgernis. Vor allem der Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes forderte meinen besonderen Einsatz. Den Kampf um ihn im Parlamentarischen Rat hatte ich 1949 miterlebt. Bis zur zweiten Lesung konzedierte der Entwurf des Grundgesetzes wie einst in der Weimarer Verfassung nur eine »grundsätzliche« Gleichberechtigung. Damit hätte man wieder ungezählten juristischen und politischen Ausnahmen Tür und Tor geöffnet. Das sollte für die Bundesrepublik mit Inkrafttreten des Grundgesetzes nun verhindert werden. Vor allem war es die couragierte SPD-Abgeordnete Elisabeth Selbert, die sich gewissermaßen mannhaft gegen die nur »grundsätzliche« Gleichberechtigung wehrte, in dem entsprechenden Ausschuss jedoch keine Mehrheit fand. Über die Rundfunkstationen der Länder und dabei über die jeweiligen Frauensendungen rief sie die weibliche Bevölkerung zu Postkartenprotesten auf, die ich als junge Stadträtin mitorganisierte. Waschkörbeweise seien die Postkarten bei ihr eingetroffen, berichtete Elisabeth Selbert später, und das führte in der dritten Lesung des Grundgesetzes tatsächlich zur Streichung des ominösen Wortes »grundsätzlich«. Damit waren die ersten Voraussetzungen für den Aufbruch der Frauen aus Unmündigkeit
und Benachteiligung zumindest in der Verfassung geschaffen. Es sollte jedoch lange dauern, bis Gleichberechtigung und Gleichstellung auch in der gelebten Wirklichkeit durchgesetzt werden konnten. Wie wohl keine andere Bestimmung des Grundgesetzes hat die Realisierung dieses Artikels unsere Demokratie und Gesellschaft innerhalb weniger Jahrzehnte gehörig umgebaut.
    Emanzipatorische Herausforderungen
    Die Zeit meiner ersten emanzipatorischen Bewährungsproben hatte begonnen: Das lag nicht nur daran, dass ich aufgrund meines amerikanisch geprägten Demokratieverständnisses überall aneckte und innerhalb weniger Jahre wegen meiner fortschrittlichen Überzeugungen zu einer der bestgehassten Abgeordneten wurde. Als »Preußin« und Protestantin passte ich auch so ganz und gar nicht in das tradierte Rollenbild: Danach hatte eine Frau mütterlich, fromm und fleißig zu sein, und schon gar nicht sollte sie öffentlich eigene Meinungen vertreten. Zwar ließ ich mich nicht einschüchtern, aber manchmal flossen doch mehr oder weniger heimlich Tränen über die Flegeleien der CSU-Abgeordneten.
    Damals fiel mir ein altes
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