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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel
Autoren: Jan Stressenreuter
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griechischen Götter!“
    „Natürlich habe ich im Moment keine Flügel! Hast du mir nicht zugehört? Ich bin ausgestoßen worden. Was, denkst du, würde passieren, wenn ich hier unter euch Menschen mit einem Paar zwei Meter großer, blendend weißer Flügel herumlaufen würde?“
    „Ist das eine rhetorische Frage?“ erwiderte ich, aber Rafael ignorierte meinen Sarkasmus.
    „Und was die Zustände im Himmel angeht, so möchte ich dich nur daran erinnern, dass schon im Alten Testament steht, dass Gott der Herr den Menschen nach seinem Antlitz erschuf.“ Rafael sah mich erwartungsvoll an.
    „Ja, und?“ gab ich verständnislos zurück.
    „Das ist natürlich symbolisch gemeint, du Null! Wie überhaupt vieles von dem, was in der Bibel steht, nicht so wortwörtlich genommen werden sollte, wie ihr es gerne tut.“ Rafaels Atem bildete in der Kälte eine Dunstwolke vor seinem Gesicht. „Gott hat den Menschen und die Welt um ihn herum als Abbild dessen erschaffen, was schon existierte. Das bedeutet, dass die Erde und der Himmel sich in mancher Hinsicht ziemlich ähnlich sind. Es gibt natürlich auch ein paar gravierende Unterschiede.“
    „Wie zum Beispiel die Unsterblichkeit?“ warf ich ironisch ein.
    „Genau“, sagte Rafael zufrieden. „Außerdem haben wir kein McDonald’s .“
    „Willst du mir allen Ernstes weismachen, dass Gott die Welt erschaffen hat?“ sagte ich. „Ich habe Neuigkeiten für dich, Engel Rafael: Daran glaubt die Menschheit seit Darwin nicht mehr!“
    Rafael seufzte. „Darwin war tatsächlich ein Problem für uns, das muss ich zugeben. Deshalb lassen wir ihn auch schon seit gut hundert Jahren im Fegefeuer schmoren. Gib uns noch fünfzig Jahre und wir haben ihn soweit, dass er widerruft. Wenn du aber darauf bestehst, jetzt mit mir alle Details der Schöpfungsgeschichte durchzugehen, sitzen wir in tausend Jahren noch hier. Mir persönlich kann es ja egal sein, denn wie du eben richtig bemerkt hast, bin ich unsterblich. Du allerdings wirst in tausend Jahren zu Staub zerfallen sein. Außerdem wird dir langsam kalt“, erklärte er und zeigte auf die Gänsehaut meiner Arme. „Übrigens hätte ich auch nichts dagegen gehabt, wenn Maria Jesus im Hochsommer zur Welt gebracht hätte. Können wir die Diskussion nicht auf der Fahrt nach Hause fortsetzen?“
    „Mein Auto fährt nicht mehr“, erklärte ich missmutig. „Jemand ist auf die Kühlerhaube gefallen und hat einen Totalschaden verursacht. Ich werde Lars anrufen müssen, ob er uns abholen kann.“ Nach ein paar Versuchen musste ich fluchend feststellen, dass das Netz meines Anbieters nicht bis in die Einöde des Hunsrück reichte. „Scheiße“, sagte ich und stampfte mit den Füßen auf, um die Kälte aus meinen Gliedern zu vertreiben. „Ich schätze, wir sitzen fest.“
    Mein Begleiter hatte inzwischen unbekümmert auf dem Beifahrersitz Platz genommen.
    „Rafael“, sagte ich ungeduldig, „was tust du da? Das Auto ist kaputt!“ Um es ihm zu beweisen, kletterte ich in den Wagen und drehte den Schlüssel im Zündschloss. Der Motor krächzte einmal ungesund und gab dann keinen Mucks mehr von sich. „Glaubst du mir jetzt?“
    „Du bist nicht angeschnallt!“ erwiderte Rafael ruhig. „Man sollte niemals ohne Gurt fahren. Du hast keine Ahnung, wie viele unnötige Neuzugänge wir jeden Monat haben, nur weil die Dummköpfe zu faul waren, den Sicherheitsgurt anzulegen!“
    Verzweifelt ließ ich meinen Kopf auf das Steuer sinken. „Dieser. Wagen. Fährt. Nirgendwo. Mehr. Hin“, sagte ich ganz langsam und hämmerte zur Betonung bei jedem Wort mit der Stirn gegen das Lenkrad. „Er ist kaputt. Du hast ihn ruiniert! Und ich habe kein Geld, um mir einen anderen zu kaufen.“
    Rafael sah mich an und schnippte kurz mit dem Finger. „Versuch es jetzt“, sagte er.
    Langsam drehte ich den Schlüssel noch einmal im Zündschloss und hörte ungläubig das Geräusch des anspringenden Motors, jungfräulich und ungeduldig schnurrend, als wäre er eben gerade erst in mein Auto eingebaut worden.
    Rafael grinste mich an. „Fahren wir endlich los?“ fragte er. Geistesabwesend setzte ich den Wagen in Bewegung. „Wie … wie hast du das gemacht?“ stotterte ich.
    Rafael schüttelte den Kopf und legte den Zeigefinger an die Lippen. „Berufsgeheimnis“, erklärte er. Umständlich machte er sich daran, die Heizung in Betrieb zu setzen.
    „Gib dir keine Mühe“, winkte ich ab, „die war schon vor dem Unfall defekt.“
    „Jetzt funktioniert sie
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