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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel
Autoren: Jan Stressenreuter
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schon mein Leben keine einzige Zeitungszeile wert gewesen war, so würde mein Tod doch eine Kurznachricht in den Abendmeldungen hergeben. Zu weiteren Überlegungen blieb mir keine Zeit, denn in diesem Moment gab es einen ohrenbetäubenden Knall, etwas Schweres und etwa Mannsgroßes krachte mit voller Wucht auf meine Kühlerhaube. Ich prallte mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe, trat reflexartig auf die Bremse, kurbelte wild am Steuerrad und brachte den Wagen mit quietschenden Reifen im nächsten Graben zum Stehen.
    Als Nächstes erinnere ich mich, dass der Meteorit auf meinem Auto den Kopf hob, die dunklen, ungewaschenen Haare schüttelte, als hätte er einen Brummschädel und lautstark „Scheißdreck! So habe ich mir das nicht vorgestellt!“ fluchte.
    Mit zitternden Händen stieß ich die Fahrertür auf und wankte aus dem Wagen, um mir anzusehen, was denn da jetzt wirklich auf mich herabgestürzt war.
    Kein Zweifel: Auf meiner Kühlerhaube lag ein Mensch, genauer gesagt ein Mann, ungefähr in meinem Alter, bekleidet mit einer Jeans, einem verblichenen T-Shirt mit dem fast unleserlichen Aufdruck Gott sieht alles außer Dallas und ein Paar Turnschuhen. Er lag auf dem Rücken, schien nicht im Geringsten verletzt zu sein und starrte mit einem verärgerten Gesichtsausdruck direkt in den Himmel.
    „Scheißdreck!“ wiederholte er und zog die Stirn in Falten.
    Ich räusperte mich unsicher. „Eh … ha … haben Sie sich irgendetwas getan?“ stotterte ich. „Irgendwelche gebrochenen Knochen, Platzwunden oder innere Blutungen? Eine Prellung der Milz, ein Riss in der Leber? Schädelbasisbruch?“
    Der Mann rappelte sich auf und drehte den Kopf zu mir. „Nein“, sagte er unwirsch, „natürlich nicht.“ Behände sprang er von meinem Wagen herunter. „Und du?“
    „N… nein, ich glaube nicht. Eine Beule auf der Stirn vielleicht …“
    „Gut. Dein Auto ist allerdings schrottreif.“ Der Mann warf einen kritischen Blick auf die Kühlerhaube. „Na ja, war eh nicht mehr viel dran kaputtzumachen.“
    „Wo … wo sind Sie hergekommen?“ fragte ich verwirrt. „Ich meine, da war auf einmal so ein Fleck am Himmel und dann sind Sie auf mein Auto …“
    „Er hat mich rausgeschmissen!“ antwortete mein Gegenüber verärgert.
    „Rausgeschmissen?“ fragte ich.
    „Ja! Verbannt, sozusagen.“
    „Wer hat Sie rausgeschmissen?“
    „Na, wer schon! Gott!“
    „Gott?“
    „Ja … das Wesen, das in sechs Tagen Himmel und Erde erschaffen hat und anschließend den arbeitsfreien Sonntag! Ich habe nur versucht, ihm die Sache mit Jesus und Judas zu verklickern, du weißt schon – dass die beiden seit Ewigkeiten was miteinander haben hinter seinem Rücken. Ich meine, das kann man sich doch an fünf Fingern abzählen: Schließlich haben sie sich in Gethsemane vor allen Leuten geküsst! Wenn das nicht nach latenter Homosexualität riecht, dann weiß ich es auch nicht. Und nach über zweitausend Jahren wird es langsam Zeit, dass der HERR sich mit der Realität auseinander setzt, oder?“ Der Mann starrte wieder wütend nach oben zum Himmel. „Aber nein“, schimpfte er dann laut weiter, „wenn es um seinen einzigen Sohn geht, dann tut der Allwissende lieber so, als wüsste er von nichts! Ha! Und Jesus steht daneben, macht einen auf unschuldig und leugnet alles. Petrus hätte es nicht besser anstellen können! Und das alles nur, weil ich Judas bei einem Betriebsausflug ein bisschen angegraben habe! Vor zweihundert Jahren! Da soll noch einer sagen, der Sohn Gottes sei nicht nachtragend! Jedenfalls bin ich wegen angeblicher Verleumdung aus dem Himmel verbannt worden. Und ich darf erst wieder zurückkehren, wenn ich ‚ein wenig über mich nachgedacht‘ und die auferlegte Strafe erfüllt habe.“
    „Die … die auferlegte Strafe?“ wiederholte ich mit schwacher Stimme. Was redete der Kerl für einen Blödsinn zusammen? Krampfhaft überlegte ich, ob es hier in der Nähe eine geschlossene Psychiatrie gab, wo man ihn vielleicht schon suchte.
    „O ja“, bekam ich unbekümmert zur Antwort. „Verstoßene Engel dürfen erst zurück in den Himmel, wenn sie genug Buße getan haben. Die Strafe ist auch immer dieselbe: Man muss eine verirrte Seele retten, einen verkorksten Lebensweg richten, so was in der Art. In deinem Fall wollte Gott allerdings zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Mit meiner Verbannung ist sozusagen auch dein Gebet erhört worden!“
    „Was für ein Gebet?“ Meine Verwirrung wurde immer
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