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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder
Autoren: Susanne Hanika
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noch aufräumen
könnte, damit ich mich nicht ganz so schämen musste. Oder noch einmal die Wände
streichen, damit es nicht so auffiel, dass wir schon ewig nichts mehr in der Küche
gemacht hatten. Und was machten die Ernsdorfers, wenn die Polizei zu ihnen kam?
Sie trugen tolle Möbel aus dem Haus und ganz grässliche alte Dinger wieder
hinein. Da kam einem doch gleich der Verdacht …
    Ich konnte darüber nicht allzu lange nachdenken, was für einen
Verdacht ich hatte, denn im nächsten Moment keifte hinter mir die Eichingerin
los, und ich sprang vor Schreck in die Stechpalme.
    Â»Des wenn ich deiner Oma sag!«, kreischte sie und schwang wütend
ihren Haglstecken. »Ich hab glei g’sagt, Wild Annl, des nimmt kei gut’s End. A
Kind ohne Mutter und Vatter, des kann ned gut gehen!«
    Zum zweiten Mal an dem Tag rannte ich los, um über den Zaun zu
hechten.
    Das Einzige, woran ich mich dann noch erinnern konnte, war, dass ich
eine Glanzleistung hinlegte, als ich so im freien Flug über den Jägerzaun
sprang. Und dass erstaunlicherweise jemand direkt vor mir stand. Ausgerechnet
die alte Ernsdorferin, das konnte ich noch denken. Und ihr Blick sah wirklich
haargenau so aus, als würde sie für eine Stephen-King-Verfilmung üben. Oder als
dächte sie an einen hübschen gerüschten Sarg.
    Als ich wieder aufwachte, sah ich in die Augen vom Schorsch. Das
war unglaublich beruhigend. Ich fühlte mich wieder wie ein zwölfjähriges
Mädchen, dem gleich etwas Wunderbares einfällt, wie es einen Schulkameraden so
richtig triezen kann. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich verstand, dass ich
auf dem Gehsteig lag und der Schorsch gerade prüfte, ob ich noch Lebenszeichen
von mir gab.
    Die Eichingerin hing über dem Zaun und keifte immer noch: »Und ich
hab’s glei g’wusst, wenn des Kind kein Vatter hat, dann kann des nix werd’n.«
    Schorsch zwinkerte mir erstaunlicherweise zu, dann wurde er
weggeschoben, und Max sah mir ins Gesicht.
    Â»Geht’s wieder?«, fragte er besorgt.
    Â»Und dann haut noch die Mama ab. Solchene Kinder werden alle
kriminell«, kreischte die Eichingerin weiter. »Und mei Stechpalme ist hin!«
    Max kam etwas näher an mein Gesicht und sprach ganz leise: »Soll ich
sie festnehmen lassen?«
    Â»Nein«, flüsterte ich ebenso leise zurück. »Aber du könntest dir
eine Pinzette besorgen und die Stechpalmenzweigerln aus meinem Popo zupfen …«
    Ich stand am Gartenzaun und sah zu, wie Max ins Haus der
Ernsdorfers ging.
    Was für ein Kuddelmuddel. Er hatte mir anvertraut, dass er mit
Stefanie darüber gesprochen hatte, wann sie den alten Ernsdorfer zum letzten
Mal gesehen hatte. Der Klaus und die Stefanie waren schon zwei Jahre zusammen,
und in der Zeit hatte sie ihn nie gesehen.
    Â»Wahnsinn. Die haben ihn eingesperrt«, sagte ich zu Max.
    Er enthielt sich eines Kommentars.
    Â»Aber ins Dorf durfte er schon mal. Erst vor Kurzem hat er im Auto
gesessen, während die alte Ernsdorferin eingekauft hat«, erzählte ich. »Und
dann war er auch am vorletzten Pfarrfest. Ich hab ihn da zwar nicht gesehen,
aber die anderen haben gesagt, dass die anderen gesagt haben …« Ich unterbrach
mich selbst, weil ich merkte, dass das alles sehr konfus wirkte. »Und vor zwei
Wochen hat er bei der Bärbel einen Gutschein bestellt.«
    Den hatte er zwar nie abgeholt, wie auch die Jahre zuvor nicht. Aber
immerhin hatte er ihn telefonisch bestellt.
    Â»Ich gehe da jetzt rein«, erklärte er mir. »Und dann sehe ich mir
an, wie der Ernsdorfer gelebt hat.«
    Â»Ganz nobel. Aber jetzt haben sie sein teures rotes Sofa nach
draußen und den Klostuhl vom Kreiter gestohlen«, seufzte ich.
    Wir sahen uns eine Weile an – und dann ratterte es bei mir eine
ebenso lange Weile.
    Â»Meinst du … der Ernsdorfer … der Klostuhl …«, stotterte ich. »Du,
der ist bestimmt schon zwei, drei Jahre beim Kreiter, der greißliche Klostuhl.
Und hinten stand Dahlienweg 16 drauf.« Ja, richtig.
Dahlienweg 16 , das war die Adresse von den
Ernsdorfers. »Und … die haben den doch bestimmt weggeworfen, weil der alte
Ernsdorfer …« Mir blieb die Spucke im Hals stecken. »Und deswegen hat die alte
Bixn gestern Irischmoos und Gebissreinigungstabletten gekauft. Weil sie das
ganze Zeug vom Ernsdorfer schon lange weggeworfen hatten. Soll ich dir was
sagen,
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