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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder
Autoren: Susanne Hanika
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Außerdem musste ich
feststellen, dass ich körperlich in den letzten zwölf Jahren ganz schön
abgebaut hatte, denn so locker wie früher schwang ich mein Bein nicht mehr über
den Jägerzaun. Max kauerte unter einer Stechpalme und sah nicht aus, als wollte
er vor mir fliehen – er starrte vielmehr gebannt in den Nachbargarten, in dem
die Stefanie ursprünglich verschwunden war. Also doch Swingerclub.
Freikörperkulturanhänger oder ein Bordell.
    Â»Sag mal«, fing ich böse an. »Du schämst dich auch überhaupt nicht,
oder?«
    Max zuckte erschrocken zusammen und fuhr herum.
    Â»Reicht es nicht, dass du dich mit Stefanie heimlich triffst?«,
fragte ich und merkte, wie meine Stimme ganz schnell einen hysterischen
Unterton bekam.
    Â»Pscht«, fuhr Max mich an.
    Â»Nix pscht. Mit pscht ist jetzt aus! Ich lass mir das nicht länger
gefallen!«, keifte ich ihn an. »Wenn dir die Stefanie besser gefällt, dann
kannst du gerne …«
    Max sprang auf und hatte die Frechheit, mir den Mund zuzuhalten.
    Â»Ich bin dienstlich hier«, raunte er mir zu.
    Ha. Also, wenn er meinte, ich war so blöd, dass ich ihm glaubte,
dass er dienstlich einen Swingerclub observierte, dann hatte er sich
geschnitten. Max zog mich unter die Stechpalme, von der aus man einen
vorzüglichen Blick auf den Nachbargarten hatte.
    Er sagte gar nichts, hielt mir nur den Mund zu und sah wieder
hinüber.
    Ich sagte auch nichts. Nicht nur, weil er mir den Mund zuhielt,
sondern weil ich plötzlich sah, wer hier wohnte. Die Ernsdorfers! War das zu
glauben? Als Max gemerkt hatte, dass ich nicht mehr herumkeifen würde, ließ er
meinen Mund wieder los.
    Â»Was machen die da?«, fragte ich flüsternd.
    Max zuckte mit den Schultern und antwortete nicht. Der Ernsdorfer
Papa kam gerade aus dem Schuppen und trug mit seinem Sohn S.E.C. einen
hässlichen großen alten Sessel ins Haus. Seine Mutter kam auch aus dem Schuppen
und beutelte eine fast genauso hässliche braun karierte Tagesdecke aus, um sie
dann ordentlich zusammenzulegen und sie der jungen Ernsdorferin in die Hand zu
drücken. Nach einer Weile traten der Ernsdorfer Papa und sein Sohn wieder aus
dem Haus und schleppten ein schickes Plüschsofa in Knallrot in den Schuppen.
Von dem Plüschsofa rutschte eine Felldecke herunter, und die Ernsdorferin
begann darüber zu jammern, dass das teure Zeug kaputt gehen könnte. Das
Plüschsofa, dachte ich mir als Erstes. Das Plüschsofa mit den
Pornozeitschriften. Eine Weile hörte ich nur das Blut in meinen Ohren rauschen,
dann kam der nächste Gedanke. Das teure Zeug? Wieso trugen sie teures Zeug in
den Schuppen und hässliche alte Sachen ins Haus?
    Gebissreinigungstabletten, dachte ich dann. Plüschsofas. Rote
Plüschsofas. Hyänen seids ihr alle, kreischte die Ernsdorferin in meinen Ohren.
Die Ernsdorferin hatte Gebissreinigungstabletten gekauft. Für den
verschwundenen alten Ernsdorfer. Und Irischmoos.
    Hatten sie den alten Ernsdorfer, den mit dem Parkinson, etwa im
Schuppen versteckt? Zusammen mit seinem alten Sofa und der braun karierten
Decke? Und was machten sie jetzt? Setzten sie den Alten wieder in sein Zimmer
und taten, als wäre nix gewesen?
    Â»Und wo ist die Stefanie?«, fragte ich flüsternd nach. »Hilft die
den Ernsdorfers?«
    Â»Die ist nicht da«, flüsterte Max zurück, »die war nur kurz im Haus
und ist gleich wieder gefahren.«
    Â»Und, was habt ihr so geredet?«
    Max sah mich verständnislos an. »Geredet?«
    Â»Oder hast du nur auf ihren Hintern geschaut?«, fragte ich
beleidigt.
    Er schien plötzlich zu verstehen, denn er beugte sich langsam nach
vorne, um mich zu küssen.
    Â»Dienstlich«, sagte er, bevor sich unsere Lippen trafen, »rein
dienstlich.«
    Ich wich seinen Lippen aus und zeigte ihm den Vogel.
    Plötzlich hörte ich hinter uns ein Keifen, das mir bekannt
vorkam. Oh, oh. Die alte Eichingerin! Wir saßen ausgerechnet im Garten der
größten Giftspritze unserer Gemeinde. Max zog mich unter der Stechpalme hervor,
und wir begannen beide zu rennen. Wir hielten erst an, als wir über den Zaun
gehechtet waren.
    Â»Sag mal«, keuchte ich, »macht man das als Polizist?«
    Â»Sag mal«, keuchte er zurück und grinste, »macht man das als
Journalistin? Ich habe wenigstens einen Grund.«
    Â»Du darfst das nur mit irgendwelchen
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