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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder
Autoren: Susanne Hanika
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sollte
ich denn sonst denken, wenn mich jemand mit Ziegelsteinen ins Jenseits
befördern wollte? Dass das irgendeine Form von Nettigkeit unter Nachbarn war?
    Â»Und, wieso hast DU dich gewundert?«,
fragte ich seufzend nach.
    Â»Na, wo der Stein halt hin ist.«
    Â»Wo der Stein hin ist?«, echote ich ungläubig. Wohin der Stein
verschwunden war, konnte ich ihr ganz genau erzählen.
    Â»Da hab ich doch extra dein Tüchl hingebunden, dass d’ den Stein
siehst. Weilst halt nicht schaust.«
    Ich blieb wie erstarrt stehen. Weilst halt nicht schaust?
    Â»Der Stein war von dir?«, fragte ich ungläubig.
    Â»Ja, wer, meinst denn, wer bei uns im Garten die Äste nach unten
bindet?«, fragte Großmutter mit einem Kopfschütteln. »Die Reisingerin, die alte
Bixn, jedenfalls nicht.«
    Â»Ha«, sagte ich nur entkräftet und ließ mich auf den nächsten
Küchenstuhl plumpsen. Die eigene Enkelin fast ins Jenseits befördern und dann
so tun, als wäre ich nicht ganz dicht im Kopf.
    Â»Ã„ste runterbinden«, wiederholte ich den Tränen nahe. »Sag mal, hast
du nichts anderes zu tun, als in unserem Garten Äste runterzubinden? Noch dazu
direkt neben dem Weg?«
    Â»Ja mei«, schimpfte Großmutter hinter mir, »du tust ja nix im
Garten. Und wennst die Äste ned runterbindest, dann wachst der Baum so schief
und kropfert.«
    Tja. Und jetzt war ich schief und kropfert, keine Frage. Aber
immerhin ging’s dem Baum gut.
    Â»Außerdem hab ich dein Tüchl hingebunden. Des musst doch g’sehn
ham.«
    Ja. Hinterher hatte ich das Tuch ganz deutlich gesehen.
    Â»Warst wenigstens beim Doktor?«, fragte sie mich etwas freundlicher.
    Â»Nein. Tut schon nimmer weh«, antwortete ich mürrisch.
    Â»Dann passt’s ja«, erklärte sie mir begeistert. »Hast eine Milch
mitbracht?«
    Von woher hätte ich jetzt eine Milch mitbringen sollen? Und
überhaupt, wer war ich eigentlich? Ich war diejenige, die über Klostühle
schreiben musste, von ihrem Freund betrogen und von der eigenen Großmutter
niedergeschlagen wurde. Und das Einzige, was hier interessierte, war, ob ich
beim Einkaufen gewesen war.
    Â»Und wo hast den Ziegelstein hin’tan?«, bohrte Großmutter weiter.
»Den bräucht ich schon wieder.«
    Ich packte die Einkaufstasche und ging zum Kühlschrank.
    Â»Ja, ja«, sagte ich nur, weil ich nicht zugeben wollte, dass der
Ziegelstein mitsamt dem Tuch und der Wäscheleine bei Max im Büro lag.
    Danach beschloss ich, dass ich doch gleich mit Max eine Runde
streiten würde. Man durfte nichts auf die lange Bank schieben. Schließlich
bestand die Möglichkeit, dass er mit Stefanie in das Haus gegangen war, um mal
eine schnelle Nummer zu schieben. Igitt. Ich merkte, wie ich so richtig ätzend
wurde. Der würde etwas zu hören bekommen. Und danach würde ich vielleicht noch
eine Runde den Kreiter observieren. Oder den Troidl. Zur Zeitung würde ich
jedenfalls heute nicht mehr fahren, das war gewiss.
    Ich fuhr wieder an dem Haus vorbei, vor dem die Stefanie geparkt
hatte. Ich sah gleich, dass ihr Roller nicht mehr da war. Aber der Audi stand
noch dort, allerdings drei Häuser weiter. Hatten sie sich jetzt ein anderes
Haus für ihre Treffen ausgesucht? Verblüfft sah ich mich nach Max um. Wieso war
Max noch da? Denn der Roller war auch nicht beim nächsten Haus geparkt.
    Max selbst stand neben dem Gartenzaun und schien durch die Büsche zu
schauen. Vielleicht war das Haus ja ein Swingerclub? Oje. Was hatte ich mir da
nur für einen Mann ausgesucht! Als ich aus dem Auto stieg, tat er etwas sehr
Eigenartiges. Er kletterte über den Nachbarzaun.
    Wie bitte? Wenn er so viel Angst vor mir hatte, dass er sich in fremden
Gärten versteckte, mussten alle meine Befürchtungen wahr sein. Aber das würde
mich nicht davon abhalten, ihm meine Meinung zu sagen. Auch wenn ich dafür in
wildfremde Gärten einbrechen musste. Manchmal galt es, über sich selbst
hinauszuwachsen, und das würde ich hiermit tun.
    In meiner Jugend bin ich ganz oft über Zäune geklettert, sogar
über fremde. Das Wichtigste dabei war, von keinem gesehen zu werden und sich
außerdem einen Garten auszusuchen, hinter dessen Gartenzaun kein größerer Hund
lauerte. Diesen Garten kannte ich nicht, und ich wusste auch nichts über die
Tierhaltung. Deswegen kam ich mir auch äußerst mutig vor.
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