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Und alles nur der Liebe wegen

Und alles nur der Liebe wegen

Titel: Und alles nur der Liebe wegen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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So machen sie es im Fernsehen!
    Dann sangen sie. Den Text verstand Peter nicht, nur ab und zu das langgezogene Wort »Liiiiiebe … o holde, selige Liiiiiebe«.
    Dann geschah es! Peter hob mit einem Ruck den Kopf. Beljonow, den er nicht ausstehen konnte, zog seine Mutter an sich und küßte sie.
    Jetzt klebt sie ihm eine, dachte Peter zufrieden. Jetzt gleich.
    Aber sie tat es nicht. Es schien ihr zu gefallen. Mit geschlossenen Augen, zurückgebeugt, ließ sie sich küssen, und dann lachte sie sogar, rief etwas, das Peter nicht verstand, und zog wieder Beljonows Kopf an sich.
    Peter kroch auf seinem dicken Ast zum Stamm zurück und lehnte sich dort an. Wenn das Papi wüßte, dachte er. Er ist weit weg, und Mutti küßt den dicken, häßlichen Russen! Wie ist so etwas möglich? So etwas gehört nicht zum Gesang, das spürte er jetzt ganz deutlich. Was Beljonow und Mama da taten, war Unrecht. Und er war nun Mitwisser eines Geheimnisses geworden, das Papi sehr weh tun würde, wenn er es erführe. »Man müßte den Dicken skalpieren!« sagte Peter laut. »Und das Schwimmen ist auch futsch!«
    Von diesem Tag an kam Beljonow fast jeden Nachmittag, und immer hockte Peter auf der Kastanie und sah zu. Von jetzt an waren es keine langweiligen Ferien mehr.
    »Du solltest den Jungen in ein Ferieninternat geben«, sagte Beljonow an einem dieser Tage. Er hatte gut zu Abend gegessen und sah Lucia wohlgefällig an. Sie trug einen seidenen Hosenanzug. Eine wundervolle Frau, dachte Beljonow. Mein Glück, daß Etzel mit seinen Bauten beschäftigt ist.
    »Warum?« fragte Lucia. Sie nippte an einem Glas Orangensaft. »Der Junge fühlt sich zu Hause wohl.«
    »Er sieht zu viel.«
    »Ach was, Peter ist ein Kind. Was er sieht, begreift er noch nicht, und außerdem sieht er gar nichts.« Aber das war ein großer Irrtum.
    Im ›Kral‹, der für Ferienlager eingerichteten Pension Sonneck, war das Abendessen vorüber. Der Kursleiter, Dr. Erich Hembach, genannt der schöne Erich, hatte dreimal auf die Tischplatte geklopft, was so viel hieß wie: Der Tag ist zu Ende. Freizeit. Die Kinogänger auf die Zimmer, die Tischtennisspieler ziehen sich um, Jogginganzug, die Spaziergänger melden sich bei Frau Gütlich, der Referendarin, die einen Spaziergang zum berühmten ›Weißen Rößl‹ machen will. Die anderen können schreiben, malen, diskutieren. Der Küchendienst schält für morgen Kartoffeln vor.
    Wer einen Blick zu dem langen Tisch geworfen hätte, ohne darauf vorbereitet zu sein, hätte kaum glauben können, was er sah. Am Tisch saßen nämlich zwei Karin Etzels. So sah es auf den ersten Blick aus. Die gleichen langen blonden Haare, zusammengehalten mit einer Spange. Die gleichen hübschen, schmalen Gesichter mit den großen blauen Augen. Die gleichen Pullis über den Miniröcken, die gleichen langen, schlanken Beine. Ja, sogar der gleiche Tonfall der Stimmen.
    So, wie sie jetzt nebeneinander saßen, waren die Etzelzwillinge Karin und Monika nicht auseinanderzuhalten. Nur wenn sie gingen oder wenn sie sich unterhielten, merkte man einen Unterschied. Karins Gang war, im Gegensatz zu Monikas natürlichen Bewegungen, herausfordernd, Karins Ansichten waren frühreif, sie sprach über Männer wie ein alter Filmstar nach fünf Ehen, sie nannte alle Eltern Grufties, nur die Männer mit den grauen Schläfen und den dicken Brieftaschen betrachtete sie als starke Typen; wie anders war da Monika! Sie liebte ihren Vater, den sie kaum sah, und ihre Mutter, die kaum Zeit hatte. Für die Schule arbeitete sie zuverlässig, im Gegensatz zu Karin, die jedes Jahr bei der Versetzung gerade noch durchrutschte. Monika war es auch, die viele Torheiten Karins deckte und ausbügelte, die bei den Lehrern für ihre Schwester gutes Wetter machte und ab und zu sagte, wenn ihr Karins Angeberei auf den Wecker ging: »Ach, hör doch auf, mach dich doch nicht lächerlich!«
    Nur einmal wußte sie keinen Rat. An einem Sonntag überraschte sie Karin an der Gartenhecke mit einem Mann in inniger Umarmung. Als sie auseinanderstoben, erkannte Monika Herrn Neubes, den Nachbarn, einen Biergroßhändler, der verheiratet war und zwei kleine Kinder hatte. »Wenn du mich verpfeifst«, hatte Karin ganz cool zu Monika gesagt, »mach' ich 'ne Fliege und trampe nach England.« Und Monika schwieg. Sie hatte ihre Schwester viel zu gern, und sie fürchtete, daß sie wirklich von zu Hause ausriß.
    Nach dem Essen gingen die Mädchen auf ihre Zimmer. Dr. Hembach blieb noch sitzen und rauchte
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