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Und alles nur der Liebe wegen

Und alles nur der Liebe wegen

Titel: Und alles nur der Liebe wegen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Opernbühne ab, aber zu Hause saß sie oft am Flügel und sang die herrlichsten Arien.
    Das Leben der Erfolgreichen hatte auch die Familie Etzel umgewandelt. Ludwig flog in der Welt herum, begleitet von Frau Aurach. Lucia hatte es aufgegeben, auf sie eifersüchtig zu sein. Ihr Mann beteuerte, daß sie nur seine Sekretärin sei, drei Sprachen beherrsche, rasend schnell stenografiere und deshalb unentbehrlich bei den Sitzungen sei. Daß sie außerdem noch von südländischer Schönheit war, kam hinzu, war aber nach den Worten Ludwigs völlig belanglos. Lucia sprach nicht mehr darüber, aber sie richtete sich ihr Leben nach ihrem Geschmack ein.
    Zwei Hausmädchen kümmerten sich um die Kinder, eine Halbtagsköchin kochte, ein Gärtner bemühte sich um den großen Garten der Villa – so blieb Lucia genug Zeit für Tennis und Golf, Motorbootfahrten auf Rhein und Mosel und für Parties. Besonders schön war, daß ein ehemaliger Kollege nach Köln engagiert war, der Tenor Henk Beljonow, ein Deutschrusse, früher der Partner Lucias am Göttinger Stadttheater.
    Der einzige, der unter diesen Verhältnissen litt, war Peter, der elfjährige Sohn Lucias und Ludwigs. Er hatte rotblonde, borstige Haare, grüne Augen und steckte voller Dummheiten, wie die Hausmädchen meinten. Es gab nichts, was Peter nicht ausgeheckt hätte. Von zerbrochenen Fensterscheiben sprach man schon gar nicht mehr, aber wenn bei Laura, einem der Hausmädchen, unter der Bettdecke eine tote Maus lag und sie sich ahnungslos darauf fallen ließ, so konnte sie darüber nicht mehr lachen; auch die Fahne, die Peter auf seinem Indianerzelt im Garten gehißt hatte, gab Anlaß zu Beschwerden: Sie bestand aus einem Unterrock, der dem Hausmädchen Lisa gehörte. Mit Lippenstift hatte Peter darauf geschrieben: ›Born to kill‹.
    Jetzt, in den großen Ferien, war er allein in der Villa. Das Sommerlager seiner Schule nahm erst Jungen ab vierzehn Jahre auf. Papi war in Kopenhagen, Mutti gab eine Party nach der anderen und schlief dann bis gegen Mittag, alle anderen waren in den Ferien – es war stinklangweilig! Abwechslung brachte nur der alte Freund von Mutti, der breite und dickliche Henk Beljonow.
    An einem schönen Sommertag – die Sonne brütete über der Stadt, und auch über dem Garten der Familie Etzel flimmerte die Luft vor Hitze –, erlebte Peter etwas Merkwürdiges.
    »Gleich nach dem Essen gehen wir schwimmen!« sagte Lucia.
    »Au fein, Mutti!« Peter machte einen Luftsprung. Wie selten kam es vor, daß seine Mutter Zeit hatte, mit ihm auszugehen! Er suchte sein Badezeug zusammen, probierte die Tauchbrille und machte das Gummiband weiter, denn es war zu eng für seinen Kopf geworden.
    Aber es blieb bei dem Versprechen. Gleich nach dem Essen – Peter wartete schon an der Garage, den Bademantel um die Schultern, die Badetasche in der Hand – fuhr ein weißer französischer Wagen vor, und Henk Beljonow stieg aus. Er winkte Peter zu und begrüßte Lucia, die ihm öffnete, überschwenglich mit einem Handkuß und einer Arie aus ›Rigoletto‹: »Holdes Mädchen, sieh mein Leiden …«
    »Blödmann«, sagte Peter laut, als Beljonow im Haus war. Er streifte seinen Bademantel ab, legte ihn mit der Badetasche neben die Garage und ging mißmutig in den Garten. »Nichts mit Schwimmen!« schimpfte er und hieb vor lauter Wut mit einem Ast gegen die Bäume. »Jetzt singen sie wieder!«
    Er machte drei Runden durch den Garten, bis er wieder vor dem Musikzimmer stand. Das Fenster war offen, und er hörte, wie Beljonow auf seine Mutter einredete. Peter packte die Neugier. Er sah sich um. Von der Kastanie müßte man wunderbar ins Zimmer sehen können, ohne selbst entdeckt zu werden. Er holte eine Leiter aus dem Geräteschuppen, stellte sie hinter den Stamm, stieg hinauf, bis er den ersten dicken Ast erreichte, und zog sich dann hoch. Das Klimmzugüben in der Turnstunde, das er immer ätzend gefunden hatte, machte sich jetzt bezahlt. Er setzte sich auf den dicken Ast, stützte das Kinn in die Hände und sah, daß Beljonow die Hände seiner Mutter erfaßt hatte und sie an seine Brust drückte. Ihre Augen glänzten, aber sie hielt den Kopf steif nach hinten.
    »Noch dieses Duett, meine Liebe!« bat Beljonow. »Spürst du denn nicht, was ich empfinde?«
    Peter rümpfte die Nase und hielt den Atem an.
    Beljonow setzte sich an den Flügel und spielte ein paar Takte, dann sprang er auf und legte den Arm um die Schultern von Peters Mutter.
    Das hat er abgeguckt, dachte Peter.
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