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Unbescholten: Thriller (German Edition)

Unbescholten: Thriller (German Edition)

Titel: Unbescholten: Thriller (German Edition)
Autoren: Alexander Söderberg
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seinen wachen Augen hängen, die unterschiedliche Farben hatten, dunkelblau das rechte, dunkelbraun das linke. Unter bestimmten Lichtverhältnissen änderte sich der Farbton, als ob Hector für einen Moment ein anderer würde.
    »Ist es einsam im Krankenhaus ohne mich?«, fragte er lachend.
    Sie schüttelte den Kopf und lächelte ihn an. »Nein, es ist wie immer.«
    Eine Kellnerin kam mit zwei Gläsern Wein.
    »Spanischer Weißwein. Ein guter Hauswein.«
    Hector hob sein Glas zu einem Toast. Sophie nahm ihr Weinglas und suchte wohlerzogen Augenkontakt mit ihm. War das hier schon ein Rendezvous?, fragte sie sich.
    Hector lehnte sich zurück und betrachtete sie. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ein flüchtiger Gedanke schien ihn daran zu hindern. Er suchte offenbar plötzlich nach Worten.
    »Was?«, fragte sie mit einem kurzen Lachen.
    Er setzte sich zurecht. »Ich weiß nicht … Ich erkenne dich kaum wieder. Du bist anders.«
    »Wie anders?«
    »Vielleicht, weil du keinen Schwesternkittel anhast.«
    »Wäre es besser, wenn ich ihn anhätte?« Ihre Worte schienen ihn peinlich zu berühren, das gefiel ihr. »Aber du erkennst mich schon wieder?«
    »Ja, aber ich frage mich auch …«
    »Was fragst du dich?«
    »Wer du bist.«
    »Das weißt du doch.«
    »Ich weiß ein bisschen, ja, aber nicht alles.«
    »Warum solltest du alles wissen wollen?«
    Hector zuckte mit den Schultern. »Manchmal habe ich es eilig, das zu bekommen, was ich haben möchte …«
    Dann kam das Essen, und Teller wurden vor sie hingestellt. Mit geübten Fingern öffnete Hector die Krustentiere. »Bitte, erzähl doch da weiter, wo du im Krankenhaus unterbrochen worden bist«, sagte er. »Dein Vater war gestorben, und dann traf deine Mutter Tom, und ihr seid in sein Haus gezogen.«
    Er begegnete ihrem Blick, als wollte er sie ermuntern. Sophie suchte in ihrer Erinnerung, dann fuhr sie mit ihrer Erzählung fort. Wie es ihr und ihrer Schwester nach dem Tod ihres Vaters allmählich wieder besser gegangen war. Wie sie gemeinsam mit ihrer Mutter in Toms Haus gezogen waren, das nur wenige Minuten von ihrem Elternhaus entfernt lag.
    Während sie erzählte, aßen sie Austern, Krebse und Hummer. Sophie ließ für Hector ihr Leben Revue passieren, ihr Austauschjahr in den USA, ihren ersten Job, ihre Asienreise. Die Zeit verging, und irgendwann merkte sie, dass sie pausenlos geredet hatte, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, sie zu unterbrechen. Sie fragte, ob sie ihn langweilte, doch Hector schüttelte nur den Kopf.
    »Sprich weiter.«
    Sie lächelte. So ausführlich hatte sie lange nicht geredet. Dann fuhr sie fort: »Ich lernte David kennen. Wir heirateten, bekamen Albert, und dann flogen die Jahre nur so dahin.«
    Sie nahm einen kleinen Bissen von ihrem Teller und wurde nachdenklich. »Mein Leben wurde plötzlich so passiv.«
    Es überraschte sie selbst, dass sie das sagte, denn sie hatte noch nie darüber nachgedacht, was in diesen Jahren eigentlich passiert war.
    »Was meinst du damit?«, fragte Hector. »In welchem Sinn passiv?«
    Sie trank ihr Glas aus und dachte über seine Frage nach, dann zuckte sie mit den Schultern. »Es war wie bei den meisten Müttern, nehme ich an. Mit den Kindern kommt die Einsamkeit. David hat gearbeitet, er reiste viel, und ich war zu Haus. Es passierte einfach nichts mehr in unserem Leben.«
    Sie spürte die Falte auf ihrer Stirn, versuchte sie zu glätten und lächelte zaghaft. Dann fuhr sie fort: »Die Jahre vergingen, und dann wurde David krank, den Rest kennst du. Er starb zwei Jahre später an Krebs.«
    Der Tonfall ihres letzten Satzes ließ Hector davon absehen, das Thema weiter zu vertiefen. Sie aßen eine Weile schweigend.
    »Es ist spät geworden«, sagte Hector schließlich.
    Vielleicht sah er ein, dass er zu neugierig gewesen war und zu hartnäckig. Aber er schien es plötzlich auch eilig zu haben, legte die Serviette zusammen und fragte: »Soll Aron dich fahren?«
    »Nein danke, diesmal komme ich allein zurecht.«
    In der U-Bahn legte Sophie den Kopf an die Scheibe und starrte auf die Umrisse der Betonwände hinter dem Fenster.
    Hector war nicht aufdringlich gewesen. Er schien einfach nur verstehen zu wollen, wer sie war und was sie über ihn dachte und über das Leben überhaupt.
    Allein zu sein war eintönig, aber auch unkompliziert. Sie kannte diesen Zustand nur zu gut und hatte sich seit einer Ewigkeit darin eingerichtet. Und immer, wenn jemand diese Einsamkeit zu durchbrechen drohte, trat sie
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