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Unbekannt verzogen: Roman

Unbekannt verzogen: Roman

Titel: Unbekannt verzogen: Roman
Autoren: Tom Winter
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nötig.«
    »Feier einfach krank.«
    »Aber mir fehlt nichts.«
    »Wo bliebe denn da auch der Spaß am Feiern?«
    »Hm, ja …«
    »Na also, Problem gelöst.«
    »Bei mir kommt nämlich die Feuchtigkeit durch die Wand. Deshalb habe ich gestern das Fenster offen gelassen. Und da ist Gloria gesprungen. Nicht zu fassen. Aus dem sechsten Stock. Dass sie es überhaupt überlebt hat … so ein Glück.«
    Am anderen Ende der Leitung macht sich ratloses Schweigen breit.
    »Gloria ist meine Katze.«
    »Ach so.«
    »Sie hat sich zwei Beine ge…«
    »Dann mach dir mal einen schönen freien Tag, ja?«
    »Ja, wenn du …«
    Darren legt auf.
    »Tja«, sagt Albert zu Gloria. »Das war gar nicht so schwer, was?«
    Er ist überzeugt, dass sich der Schimmelfleck in den letzten Stunden ausgebreitet hat. Keine Frage, das Fenster sollte offen stehen, solange er aus dem Haus ist, doch er muss auch an Gloria denken. Sicher, ihre Vorderbeine sind eingegipst, aber wo ein Wille ist …
    Weil er kein Risiko eingehen will, bindet er ihr eine Schnur um den Hals. Das andere Ende vertäut er an einem Tischbein. »So. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«
    Obwohl die grelle Neonbeleuchtung alle Gesichter in ein kränkliches Licht taucht, ist es düster im Wohnungsamt. Die Hoffnungslosigkeit, die in der Luft hängt, ist mit Händen zu greifen, als ob manche Leute schon seit Monaten, wenn nicht Jahren in der Schlange stünden. Selbst die Mitarbeiter machen einen derart deprimierten Eindruck, dass man, wenn einer von ihnen hinausgeht, nicht weiß, ob er nur kurz etwas holen oder sich eine Kugel in den Kopf jagen will.
    Als Albert endlich an der Reihe ist, wird es kompliziert. Natürlich hat er nicht erwartet, dass es einfach werden würde – er ist schließlich auf einer Behörde –, aber dass er sich vorkommen würde wie ein Karpfen im Haifischbecken, damit hat er dann doch nicht gerechnet.
    »Und Sie leben allein?«, fragt die Sachbearbeiterin.
    »Richtig.«
    Sie klopft mit ihrem Stift an die Tastatur, ein aufgeregtes Tapp-tapp-tapp, als wäre ihr gerade eine geniale Idee gekommen.
    »Und es gefällt Ihnen in Ihrer Wohnung?«
    »Alles darin erinnert mich an meine verstorbene Frau. Ich würde nie daran denken auszuziehen, nicht für alles Gold der Welt.«
    »Ist sie nicht ein bisschen groß für eine Person?«
    »Mit ihren zweieinhalb Zimmern?«
    »Aber sie wäre groß genug für zwei.«
    »Ich möchte doch bloß, dass der Schimmel weggemacht wird.«
    »Wir haben eine lange Warteliste für Instandhaltungsarbeiten. Das könnte ewig und drei Tage dauern.« Sie wirft einen Blick auf den Computer und zuckt verächtlich mit den Schultern, als wäre die Technik mit dem, was in einer Behörde vor sich geht, ohnehin überfordert. »Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich zu verkleinern?«
    »Davon geht der Schimmel auch nicht weg.«
    »Nein, aber es müsste sich jemand anderer damit herumschlagen.«
    »Nur, wenn ich ausziehe.«
    »Leer stehen kann die Wohnung jedenfalls nicht. Wir haben eine lange Warteliste.«
    »Müssten Sie in dem Fall aber nicht auch vorher den Feuchtigkeitsschaden beheben?«
    »Selbstverständlich.«
    »Können Sie dann nicht auch irgendetwas machen, während ich da wohne?«
    Sie beugt sich vor. »Wir haben eine lange Warteliste, Mr. Cooper, deshalb werden Leerstände bevorzugt behandelt«, sagt sie sehr laut und sehr deutlich.
    »Soll das heißen, Sie können meinen Schaden nicht beheben, weil meine Wohnung bewohnt ist?«
    »Ja, genau.«
    Albert schießt die Frage durch den Kopf, wie es jetzt wohl weitergehen würde, wenn er ein gewalttätiger Mensch wäre. »Dann mache ich den Schimmel doch vielleicht lieber selber weg«, sagt er mit einem höflichen Lächeln.
    »Aber überlegen Sie sich trotzdem, ob Sie nicht umziehen wollen. Wir würden sicher etwas Neueres, Gemütlicheres für Sie finden.«
    »Nein danke.«
    »Halten Sie uns auf jeden Fall über den Feuchtigkeitsschaden auf dem Laufenden«, sagt sie, als er aufsteht. »Wenn der Schimmelbefall stärker wird, müssen wir das Objekt womöglich aus gesundheitlichen Gründen als unbewohnbar einstufen.«
    Nach zwei Stunden auf dem Wohnungsamt müsste Albert nun eigentlich für alles gewappnet sein – für ausgeklügelte Foltermethoden beispielsweise oder einen langsamen, qualvollen Tod –, aber als er nach Hause kommt und als Erstes seinen Nachbarn sieht, rutscht ihm doch das Herz in die Hose.
    Eigentlich gießt Max Davids lediglich seine zahlreichen Topfpflanzen im
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