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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Autoren: Walter Kempowski
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großen Freude hat man sie vor einigen Jahren auch ins Deutsche übersetzt. 6
    Bevor sie zu Romanautorinnen wurden, verfaßten die Schwestern Gedichte, die sie gemeinsam zu veröffentlichen suchten. Verlag um Verlag schrieben sie an. Eine Antwort erhielten sie erst, als sie eine Briefmarke für das Rückporto beilegten. Die Druckkosten von einunddreißig Pfund mußten sie selbst tragen. Im Mai 1846 erschien die Sammlung. Die renommierten Schriftsteller ihrer Zeit, denen sie Exemplare schickten, reagierten nicht. Zwei Stück wurden verkauft.
    Erst Charlottes Roman »Jane Eyre« wurde ein großer Erfolg. Mit dem Buch unter dem Arm und lobenden Rezensionen trat sie in die Studierstube des Vaters: »Papa, ich habe ein Buch geschrieben.« Der Vater antwortete: »Wirklich, mein Kind.« Sie war die produktivste der drei, mit vierzehn Jahren hatte sie einen Katalog ihrer Werke aufgestellt, der bis dahin schon zweiundzwanzig Titel umfaßte. Ihre Schwestern aber ließen über ihre eigenen Romane nichts verlauten, die bereits der Drucklegung entgegengingen: Annes »Agnes Grey«, die autobiographisch gefärbte Leidensgeschichte einer armen Pfarrerstochter, die als Gouvernante arbeitet, und dann Emilys »Wuthering Heights«, diese unheimliche Geschichte, die uns leider
durch eine schlechte Verfilmung entzaubert wurde. Diesen Roman müßte man gelesen haben, und man kommt zu dem, was wir Lesegenuß nennen. Er ist spannend, voller Atmosphäre.
    Emily war wohl die anmutigste der drei Schwestern, groß und schlank. Sie war schweigsam und verschüchterte die Vikare ihres Vaters. Das Haus verließ sie nur, um zur Kirche zu gehen oder einsam über die Heide. Einmal aber hat sie die kurzsichtige Charlotte auf eine Weide mit Kühen geführt und sich über die Erschrockene amüsiert. Mit dreißig Jahren – eben hatte sie noch einmal an einer Handarbeit gesessen, dann lag sie auf dem Sofa – ist sie an TBC gestorben. Ihre Leistung wurde erst sehr viel später erkannt, auch in England, wo man sie zur Nationalheiligen stilisiert.
    Übrigens, wer sich für ein längeres Gedankenspiel im Sinne der Brontës interessiert, sollte bei Zweitausendeins das Buch »The World of Donald Evans« kaufen, ein Maler, der als Kind ein riesiges, adäquates Reich sich ausdachte mit vielen verschiedenen Staaten und sogar Sprachen. Die zauberhaften Briefmarken sind darin veröffentlicht, die Evans für seine Länder zeichnete.

Albert Camus
    In meiner Spezialbibliothek für besondere Schriftsteller, die in meinem Schlafzimmer griffbereit aufgestellt ist, befinden sich auch die Reisetagebücher von Albert Camus (in der Fünf-Mann-Kabine eines Frachtdampfers ist er nach Amerika gefahren) und sein Roman »Der Fremde«. Der klare Stil beeindruckt mich. Diese Eiseskälte ist eine wahre Wohltat für uns verworrene Deutsche. Seinetwegen bedaure ich es, daß ich meine Französischstudien vor der Zeit abgebrochen habe. Was wäre das für ein Genuß, ihn in seiner Sprache zu lesen.
    Camus – ein Philosoph, der eine Diplomarbeit über »Die Beziehungen zwischen Hellenismus und Christentum in den Werken von Plotin und Augustinus« geschrieben hat, der Fußball spielte, gern Ice Cream aß und – Romane und Theaterstücke schrieb. Ein überaus kultivierter Mensch, dem der Nobelpreisfrack wie angegossen paßte. Etliche Fotos zeigen ihn: ganz ohne Poetenbart, aber mit Zigarette.
    In den dreißiger Jahren gehörte er kurzzeitig der Kommunistischen
Partei Algeriens an und spielte vor arabischen Arbeitern Agitprop-Theater. In der Résistance gegen die deutsche Okkupation hat er sich nicht besonders hervorgetan, als Verlagslektor bei Gallimard still vor sich hin gearbeitet und höchstens mal für eine Untergrundzeitung einen Artikel verfaßt. Nach dem Krieg distanzierte er sich ziemlich bald von den Mandarins, insbesondere von Sartre, ergriff öffentlich Partei für die Aufständischen des 17. Juni und in Ungarn. Auch gegen das Vorgehen der Franzosen in Algerien bezog er eindeutig Stellung.
    Bei einem Autounfall kam er ums Leben. Der Neffe seines Verlegers hatte den Facel Vega gegen eine Platane gefahren. Es gibt einen Film, in dem ein Bauer befragt wird, der den Bumms gehört hat. – Was wohl seine Kinder, die Zwillinge, machen? Seine Frau Francine bekommt man auf Fotos selten zu sehen, einmal im Speisewagen nach Stockholm, den Rauch ihrer Zigarette ausblasend.
    Camus, der als Kind eines Landarbeiters und einer Magd in ärmlichen Verhältnissen in Algier aufgewachsen war, seit
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