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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Autoren: Walter Kempowski
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hätte er das auch betrachten können. Vielleicht war er ein Stück weit verliebt in sein Ressentiment, das aber immer wieder und glücklicherweise durch Selbstironie gemildert wurde. Im Text über Herman Melville erwähnt er dessen Sohn, der den in unseren Ohren ausgefallen klingenden Namen Stanwix trug. »Unsereiner heißt bloß Walter«, so Kempowskis Kommentar. Von abgründiger Komik ist auch eine Bemerkung zu Faulkner: »William Faulkner hat ein Gesicht, das mich an jemanden erinnert. Ich weiß bloß nicht, an wen.«
    Die hier versammelten Porträts sind knappe, mit sicherer Hand hingeworfene Skizzen, »Schnappschüsse«, aus dem ganz persönlichen, individuellen Blickwinkel Kempowskis. Das macht sie lebendig, amüsant und anregend. Sie wecken Lust, mehr zu erfahren über den jeweiligen Autor und sein Werk. Wer einmal den langen Büchergang im Haus Kreienhoop abgeschritten hat, der weiß um das lebensinnige Verhältnis Walter Kempowskis zu den Büchern und den Menschen, die sie verfaßt haben. Im Zuchthaus von Bautzen hat er mit Blick auf seine damals
noch imaginäre Bibliothek und auf die darin geborgenen »Größen« ein kleines Gedicht geschrieben:
    In meinem Aquarium
hängen die Fische
seltsam starr und stumm.
Doch – wenn ich die Scheiben wische,
fahren sie plötzlich herum.

Hans Christian Andersen
    H.C. Andersen, auch einer der Dichter, deren Vornamen man in Abkürzungen zu zitieren pflegt, war ständig auf Reisen. Durch halb Europa bis nach Spanien ist er gefahren, alles in der Postkutsche, in einem Jahr war er zweimal in Paris, und Rom hat er viermal gesehen. Er zog in Deutschland umher, ließ sich am Weimarer Hof feiern, traf Liszt und Grillparzer in Wien und freundete sich in Olmütz mit Walter von Goethe, dem Enkel Johann Wolfgangs, an.
    Der dänische Dichter, der uns mit so einzigartigen Märchen beschenkt hat wie »Das häßliche Entlein«, »Der standhafte Zinnsoldat« und »Die kleine Meerjungfrau«, wuchs in Armut auf. Er besuchte nur unregelmäßig eine Schule. Sein Vater war Schuster in Odense, die Mutter konnte kaum lesen und schreiben (der spätere Briefwechsel mit ihrem Sohn wurde über Dritte geführt), am Ende war sie dem Alkohol verfallen. Als ihr Sohn gerade zum erstenmal in Rom weilte, starb sie in einem Armenhaus.
    Mittellos, ungebildet und von unvorteilhaftem Äußeren
war er im Alter von vierzehn Jahren nach Kopenhagen gekommen. Ein Vierteljahrhundert später wurde er dann als blendender Unterhalter vom dänischen König nach Föhr eingeladen, las seine Märchen vor, jeden Abend zwei, und trank mit der Königin Schokolade. Schließlich wurde er sogar zum Etats- und Konferenzrat ernannt.
    Andersen war nie verheiratet. Einen »Distanzliebhaber« hat man ihn genannt. Seiner ersten Liebe erklärte er sich schriftlich, ihren Antwortbrief fand man nach seinem Tod in einem Lederbeutel um seinen Hals. Er wurde weisungsgemäß ungelesen verbrannt. Eine seiner großen Leidenschaften, Jenny Lind, gab ihm nur Freundschaft, und noch in seinen letzten Lebensjahren hat er im Tagebuch unablässig von Frauen phantasiert.
    Immer hat er Geschichten erzählt, den Mitreisenden in der Kutsche oder den Umsitzenden während der Pause im Königlichen Theater, seine eigene (gleich drei Autobiographien hat er verfaßt) und eben die Märchen, die ihn weltberühmt machten. Zwischen 1835 und 1872 wurden an die zweihundert in mehreren Serien und Fortsetzungen gedruckt: »Eventyr, fortalte for Børn«; »Historier«, »Nye Eventyr og Historier«. Er schöpfte aus deutschen, griechischen, dänischen Quellen, übernahm Sagen und Geschichten aus dem Volksglauben und aus dem Alltagsleben, aus der Welt der neuen technischen Erfindungen.
    In über fünfunddreißig Sprachen hat man sie übersetzt. Von Baron Blixen, dem eremitenhaft in den Wäldern
Nordamerikas lebenden Vater der Dichterin, ist überliefert, daß er eines Tages in eine verlassene Hütte trat und auf dem Tisch ein aufgeschlagenes Exemplar der Märchen vorfand. Andersen hat auch drei Romane, Theaterstücke und Gedichte veröffentlicht, das ist in Deutschland unbekannt.
    H.C. Andersen gehört zu den wenigen großen Märchenerzählern der europäischen Literatur. Er entwickelte einen eigenen Stil, verband die knappe Form der Grimmschen Märchen mit der philosophischen Phantastik der Romantiker. Seine Märchenwelt drang noch bis vor einer Generation in alle Kinderzimmer, neuerer Zeit blieb es vorbehalten, in ihr komplizierte literarische Gebilde zu sehen
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