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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Autoren: Walter Kempowski
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Er zeigt, wohin Geiz und Geldgier führen können – ein Sujet, das aktuell geblieben ist.

Herman Bang
    In der Aufzählung der skandinavischen Autoren (Hamsun, Lagerlöf, Laxness und Strindberg) fehlt in der Regel der große Herman Bang. So, wie man sich in unserem Land angewöhnt hat, »Grass-Lenz-Böll« zu sagen, und damit alle anderen unter den Tisch fallen läßt. Und das ist ungerecht! Gleich nach der Wende erwarb ich die dreibändige Auswahlausgabe seiner Werke aus dem VEB Hinstorff Verlag Rostock für – in Worten – dreizehn Mark.
    Herman Bang war der bedeutendste dänische Vertreter des literarischen Impressionismus. Man nannte ihn den »Dichter der Erinnerung« und »Schilderer der stillen Existenzen«, aber auch einen scharfsichtigen Analytiker der Gesellschaft seiner Zeit. Lion Feuchtwanger bezeichnete ihn sogar als einen der größten Erzähler des letzten Jahrhunderts. Thomas Mann schrieb 1902, er lese »jetzt beständig Herman Bang, dem ich mich tief verwandt fühle« (was freilich auch außerliterarische Gründe gehabt haben mag), später dann, er habe alles gelesen und viel gelernt. Wie auch immer, wer sich auf Herman
Bang einläßt, ist für ein paar Wochen mit Lektüre wohlversorgt.
    1857 wurde er als Sohn eines Pfarrers auf Alsen geboren. Ob sich schon mal jemand mit der kulturspendenden Wirkung von Pfarrhäusern beschäftigt hat? Vermutlich ja. Aufgewachsen ist er in der Provinzstadt Horsens auf Jütland, wo er den Deutsch-Dänischen Krieg miterlebte, Kämpfe vor der Stadt und die preußische Besetzung.
    Er begann wie Strindberg seine Karriere als Schauspieler, versuchte auch als Theaterregisseur und Journalist zu reüssieren, bevor er seine erste Novellensammlung 1880 veröffentlichte. Mit Romanen wie »Hoffnungslose Geschlechter« (1880) und »Am Wege« (1886) und »Tine« (1889) wurde er in Europa bekannt.
    Bang – ein unermüdlicher Arbeiter – gab sich als exaltierter Dandy mit »Diva-Allüren« (teures Parfüm), nahm Morphium und litt unter Depressionen und Neurosen. Immer ruhelos, immer unterwegs – das halbe Leben verbrachte er in Zügen, in seiner engen Heimat hielt er es nicht aus. Er lebte in Oslo, in Prag, Paris und Wien, reiste nach St. Petersburg und Moskau. Ende 1911 bestieg er in Cuxhaven den Dampfer nach New York, von Bronchitis geplagt und in finanziellen Schwierigkeiten. Auf der Vortragsreise durch die USA erlitt er am 29. Januar 1912 in einem Eisenbahnabteil des Pazifikexpress einen Schlaganfall. In Ogden/Utah ist er im Krankenhaus gestorben.

Harriet Beecher Stowe
    »Onkel Toms Hütte« stand in meiner Kinderbibliothek als Geschenk einer alten Tante, die das Buch selbst als Kind geschenkt bekommen hatte. Entsprechend sah es aus. Man konnte dergleichen Ausgaben früher in Antiquariaten kaufen. Jetzt sind sie wie weggeblasen.
    In ähnlicher Ausstattung hatte ich »Sigismund Rüstig« und »Münchhausen«. Auf mich wirkte das Altertümliche abstoßend, und ich sah mir wohl nur die Bilder an. Ein Schulfreund erzählte mir von Auspeitschungen, die darin vorkämen, und er tat das irgendwie genüßlich. Bei Heranwachsenden mag das Interesse an solchen Torturen groß sein. Auch die Azteken geben da viel her. Ich zog die »Höhlenkinder« von Sonnleitner vor, da ging es gesitteter zu. Erst viel später griff ich mir eine neue Ausgabe und konnte nachempfinden, wie sensationell das Erscheinen dieses Buches gewirkt haben muß. Wir alle kennen die abstrakt schreckliche Zeichnung des Sklavenschiffs, auf der zu sehen ist, wie man die gefesselten Unglücklichen platzsparend im Laderaum verteilt. Es bedurfte eigentlich
nicht des Riesenschinkens »Roots«, um uns nachhaltig zu schockieren.
    Heute ist es unbegreiflich, daß die Sklaverei noch weit bis ins vorige Jahrhundert gang und gäbe war und nicht nur in Afrika, auch wenn seit der Aufklärung in ganz Europa immer wieder über die Aufhebung der Sklavenhaltung diskutiert wurde. Hat nicht auch Matthias Claudius ein Gedicht geschrieben: »Der Schwarze in der Zuckerplantage«? 1
    Andere Länder, andere Epochen zu verurteilen, davor bewahrt uns Ältere die Zeitgenossenschaft zum Holocaust. Neuerdings verlangen ja die afrikanischen Staaten – analog zur Zwangsarbeiterentschädigung – 777 Billionen Dollar von allen an Sklavenhandel und -haltung Beteiligten.
    Harriet Beecher Stowe übrigens war Lehrerin und mit einem Theologieprofessor verheiratet. Ihr Roman aus dem Jahre 1852 entstand aus weiblichem Mitgefühl für das Los der
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