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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Autoren: Walter Kempowski
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voller Anspielungen und Artistik.

Margaret Atwood
    Margaret Atwood wurde 1939 in Ottawa geboren und wuchs in den Wäldern von Ontario und Quebec auf, wo ihr Vater, ein Insektenforscher, nach seltenen Raupen jagte. Sie studierte Anglistik an den Universitäten von Toronto und Harvard. Als Dozentin und Writer in Residence lehrte sie später an zahlreichen Universitäten. Sie verbrachte einige Jahre in Boston, Montreal, London, Berlin und Südfrankreich. Zurzeit lebt sie in einer alten Villa in Toronto, mit ihrem Mann, einem Kollegen, dessen Arbeitszimmer ganz oben unter dem Dach liegt, weil er Zigarre raucht.
    In den sechziger Jahren veröffentlichte Margaret Atwood zuerst Gedichte, weil die Verleger keine dicken Bücher wollten. Und sie machte sich bald einen Namen. Wann sie sich denn umbringt, fragte sie ein Journalist. Er meinte, das gehöre sich so für seriöse Lyriker, die Männer immer unter Alkohol und die Frauen: Selbstmord.
    Margaret Atwood ist die bedeutendste Schriftstellerin Kanadas. Auch wenn sie nur langsam schreibt, an jedem
Roman drei bis fünf Jahre arbeitet, so hat sie es inzwischen doch auf mehr als dreißig Bücher gebracht, darunter auch Kinderbücher und Kurzgeschichten. Die Gedichte gehören an amerikanischen Universitäten zur Pflichtlektüre, und ihre Romane sind in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Sie war Präsidentin der kanadischen Schriftstellervereinigung und des PEN-Club. Mehr als sechzig Preise hat sie bekommen. Anläßlich einer internationalen PEN-Veranstaltung näherte ich mich ihr schüchtern: Ich habe etwas übrig für Romancièren. Leider sah sie mich nur eben über die Schulter an und ging davon.

Honoré de Balzac
    Wenn ich an Honoré de Balzac denke, fällt mir eine der drei Statuen ein, die Rodin geschaffen hat (nicht die nackte!), erst danach jenes bekannte Foto: die fetten Backen und das kleine Bärtchen. Er führte das Leben eines Gesellschaftslöwen mit wechselnden Liebschaften, allesamt mit wundervollen Namen, die Herzogin von Abrantès, Olympe Pélissier, Marie du Fresnay, die Gräfin Hanska. Letztere holte er aus der Ukraine, und als er mit ihr vor seinem Haus vorfuhr, hatte der Diener inzwischen Fenster und Türen verrammelt. Vom Garten mußte er sich einen Weg in seine Villa bahnen. Einen imposanten Spazierstock hatte er, der große goldene Knauf mit Türkisen bestückt.
    Balzac arbeitete unausgesetzt, täglich sechzehn Stunden, ein Fall von Workaholic, aber auch, um seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Er schrieb unter falschem Namen Artikel für eine Zeitung der Linksopposition, unter seinem richtigen für ein Blatt der Legitimisten. Er gestaltete in der »Comédie Humaine« ein literarisches Großreich. In der zwölfbändigen Ausgabe, von Ernst Sander
herausgegeben, ist der Plan abgedruckt, den Balzac seinen Dichtungen zugrunde legte.
    In neuerer Zeit hat Hubert Fichte Ähnliches versucht. Er subsumierte Romane, Interviews, Reisebeschreibungen, Hörspiele und sogar Glossen und Polemiken unter dem Titel »Die Geschichte der Empfindlichkeit«.
    Die »Comédie Humaine« ist in ihrem kolossalen Umfang einzigartig geblieben. Nicht weniger als 137 Publikationen waren geplant, immerhin 91 Romane hat Balzac geschrieben, in denen rund 3000 Personen auftreten! Grillparzer sprach abfällig von philosophischen »Hanswurstereien«, Victor Hugo hingegen meinte, daß der Dichter oberhalb der Wolken als Stern seinem Vaterland glänzen würde.
    »Nacht für Nacht am Schreibtisch, und ein Band nach dem anderen! Was ich vollbringen möchte, ist so erhebend, so umfassend!« heißt es in einem Brief. Ein repräsentatives Bild der Menschheit am Beispiel der französischen Gesellschaft seiner Zeit sollte entstehen, das »Tausendundeine Nacht des Abendlandes«, wie er es einmal ausdrückte.
    Es ist zu fragen: Was wird von all dem noch gelesen? Mir scheint, daß die Frage des Nutzens nur von literaturfremden Lesern gestellt werden kann. Wer wäre denn imstande, alle Bilder Picassos in sich aufzunehmen? Die meisten lagern in Depots und sind den Augen verborgen. Die bloße Existenz der inkommensurablen Sophien-Ausgabe von Goethes Werken ist schon Nutzen genug.
Allerdings muß ich gestehen, daß mir das Gesamtwerk des bankrotten Druckereibesitzers und exzessiven Kaffeetrinkers – fünfzig Tassen soll er am Tag zu sich genommen haben – verschlossen bleibt. Ein, zwei Spitzen dieses Massivs müssen für das Ganze stehen. Seinen Roman »Eugénie Grandet« habe ich mit Gewinn gelesen.
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