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Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Titel: Um Mitternacht am schwarzen Fluß
Autoren: Stefan Wolf
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nicht mehr, als wolle er
Karl den Kopf abreißen.
    Aus der Hosentasche fischte er einen
großen Schlüsselanhänger mit Porsche-Emblem (Kennzeichen). Er öffnete
die Beifahrertür für die Popperschnitt-Dame, half aber nicht beim Einsteigen.
    Das tat Karl, indem er sich wie ein
Hotelportier am Türgriff aufstellte.
    Als die Frau ihre netzbestrumpften
Beine im Wagen verstaut hatte, verbeugte er sich und schloß grinsend den
Schlag.
    Muhson fuhr ab.
    Die Reifen drehten durch, quietschten
und stanken nach heißem Gummi. War seine Wut wieder aufgeflackert?
    Mitleidig blickten die vier ihnen nach,
bis der Porsche hinter den Bäumen verschwand.
    „Leider haben wir auch solche Gäste“,
sagte Jan. „Den müßtet ihr mal sehen, wenn er sein Essen einnimmt. Mit der Nase
tunkt er fast auf den Teller. Er heißt Rüdiger Muhson. Seine Frau nennt sich
Jessica. Neureiche sind das. Jeden Abend trinken sie vier Flaschen Champagner.
Er drei, sie eine. Onkel Heinz meint, der Gast sei König. Über schlechtes
Benehmen müsse man hinwegsehen.“
    „Schlechtes Benehmen kann man ändern“,
sagte Karl. „Aber einen schlechten Charakter wird man zeitlebens nicht los. Man
kann ihn höchstens verstecken. Muhson kann nicht mal das.“
    Die Mädchen lachten.
    Tanja wandte sich an Jan. „Wo grillen
wir?“
    „Unten am See. Hinten in der
Schilfecke.“
    „Stark. Aber da war doch noch was, das
ich vorher erledigen muß.“ Sie tat, als überlege sie. „Ach so, ich muß meinen Eltern
Rauchsignale senden.“
    Sie gingen zum Hoteleingang.
    Gaby pfiff auf zwei Fingern, und Oskar
trabte heran.
    Er war im Wasser gewesen, hatte sich
inzwischen mehrmals geschüttelt, war aber immer noch tropfnaß.
    Sie leinte ihn an, und alle betraten
die kleine Hotelhalle. Sie war gediegen eingerichtet.
    Jans Onkel stand hinter der Rezeption,
vertieft in den Belegungsplan, der ihm offenbar Kopfschmerzen bereitete.
Vielleicht ging es um die Reservierungen fürs Wochenende.
    Er kannte Tanja und lächelte erfreut.
Jan stellte Gaby und Karl vor.
    „An deine Eltern entsinne ich mich,
Gaby“, meinte er, „und dich habe ich hier auch schon gesehen. Aber da warst du
noch keine junge Dame, sondern zehn oder elf.“
    „Das ist eine Ewigkeit her“, lächelte
sie.
    Jan nahm alle mit ins Büro, wo Tanja
ungestört telefonieren konnte.
    Ihre Eltern besaßen eins der größten
Modehäuser in der Stadt. LEIHMEIER war eine bevorzugte Adresse.
    Jan und Karl unterhielten sich
gedämpft, während sie anrief. Gaby setzte sich in den einzigen bequemen Sessel und
tätschelte Oskar.
    Die weite Strecke hatte ihn müde
gemacht. Für einen Moment lehnte er sich an ihre Beine, dann legte er sich lang
und seufzte ergreifend.
    „Tag, Frau Eckert“, sagte Tanja. „Kann
ich mal Mutti sprechen. Oder Vati?“
    Für die andern wurde nicht klar, wer an
den Apparat kam. Tanja sagte nur: „Erschrick bitte nicht! Ich hatte einen ganz
kleinen Unfall. Aber es ist fast gar nichts passiert.“
    Dann erzählte sie.
    Offenbar löste das Panik aus — am
anderen Ende der Leitung.
    Tanja schwenkte ein paarmal den Hörer
durch die Luft und verdrehte die Augen.
    „Wirklich nicht! Mir geht’s gut! Glaub
es doch! Nur ein bißchen Haut ist abgeschürft. Und das Rad — nun ja, ich sollte
doch sowieso ein neues bekommen. Nein, ich habe bestimmt keine
Gehirnerschütterung. Ja, ich weiß! So was merkt man nicht sofort. Ich fühle
mich pudelwohl und... Nein, bitte nicht!“
    Sie verstummte, lauschte, sah die
andern an. Widerspruchslos fügte sie sich nicht, sondern sagte immer wieder: „Nein,
es ist nicht nötig. Warum denn nur?“
    Aber schließlich drückte ihre Miene
Entsagung aus.
    „Also gut! Wenn du meinst. Ja, ich
warte.“
    Sie legte auf.
    Fragend sahen die andern sie an.
    „Hätte ich nur nicht angerufen! Erst
war mein Vater am Telefon. Dann kam Mutti dazu. Sie schicken Frau Eckert her.
Diese graue Maus. Die ist so gehemmt, daß sie nur mit gesenktem Blick rumläuft.
Aber eine prima Buchhalterin. Sie holt mich mit dem Wagen ab. Ich muß zu Dr.
Geidmann. Der hat freitags nur bis vier Uhr nachmittags Sprechstunde.
Untersuchen soll er mich. Und eine Tetanus-Spritze brauche ich, meint Vati.
Tetanus ist Wundstarrkrampf. Kriegt man von kleinen Wunden. Dagegen bin ich
zwar geimpft. Aber das müßte aufgefrischt werden. Mist!“
    Jan sah enttäuscht aus.
    „Ohne dich, Tanja, läuft nichts“,
meinte Gaby. „Wir verschieben das Freiluft-Braten. In einer Woche ist das
Wetter noch warm genug.“
    Aber
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