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Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Titel: Um Mitternacht am schwarzen Fluß
Autoren: Stefan Wolf
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davon wollte Tanja nichts wissen.
    „Auf keinen Fall! Ihr fangt schon an
mit dem Grillen, und ich bestehe darauf, daß die Eckert mich zurückbringt. Mit
dem Wagen geht das im Handumdrehen. Sie fährt zwar nur Schneckentempo. Aber ich
werde sie antreiben. Das muß einfach sein. Tim und Willi sind doch auch
unterwegs.“ Sie lachte. „Klößchen radelt die Strecke nur, weil es hier was zu
futtern gibt. Ich will nicht daran schuld sein, daß er vor Schreck in Ohnmacht
fällt.“

3. Heiße Fracht in der Mordmühle
     
    Es hatte keinen Sinn mehr, sich
aufzuregen. Aber Frank Werdy mußte seine Wut irgendwie loswerden.
    Er preßte die Fäuste an die Schläfen
und stöhnte, als werde er lebendigen Leibes gehäutet.
    „Du verdammter Idiot!“ sagte er durch
die Zähne. Und sein wutheißer Atem zischte gegen die Windschutzscheibe. „Hunderte
von Kilometern ging alles gut. Und jetzt baust du Mist.“ Die Luft im Führerhaus
des Lastzuges schien zu kochen.
    Das lag zum Teil an der Gereiztheit.
Beide waren übermüdet und mit ihren Nerven am Ende.
    Carlo Riscanto fuhr. Er war Italiener,
arbeitete aber schon seit neun Jahren in Deutschland: als Fernfahrer bei der
Spedition Kambärt. Er war ein athletischer Typ mit schwarzem Lockenkopf und
tiefliegenden Augen. Den Mund verzog er ständig zu einem freudlosen Grinsen.
    „Reg dich ab!“ erwiderte er und nahm
den Fuß nicht vom Gas, während das motorisierte Ungetüm über die schmale Straße
des Naturparks rumpelte. „War ja keine Absicht! Glaubst du, ich wollte die
Kinder überfahren? Bin weggetreten für einen Moment, bin müde, kaputt,
ausgelaugt. Habe mit offenen Augen geschlafen. Na und? So was kommt vor. Ich
habe niemanden gesehen. Kannst froh sein, daß wir auf der Straße geblieben
sind.“
    Werdy wischte sich mit dem Ärmel die
schweißnasse Stirn. „Drei Tote könnten jetzt auf der Straße liegen. Den Hund
nicht gerechnet.“
    „Das täte mir leid.“
    „Wir kämen aus dem Knast nicht mehr
raus, du Idiot.“
    „Es ist niemand gestorben. Du sagst
selbst, sie seien in die Büsche gesprungen. Sollte ich vielleicht anhalten — und
auf die Polizei warten?“
    Werdy antwortete nicht. Wie sein
Kollege, sehnte er das Ende der Fahrt herbei.
    Noch wenige Minuten. Dann hatten sie’s
geschafft. Anschließend galt es nur noch, den Wagen in der Spedition
abzuliefern.
    Das mußte sein. Denn er war
vollgestapelt mit 40 Zentnern italienischem Käse. Aus der Gegend von Genua, der
italienischen Hafenstadt, hatten sie die Fracht geholt.
    Die Polizei! dachte Werdy. Das hätte
uns noch gefehlt. Möglicherweise würde sie die Fracht genauer untersuchen — als
die Zollbeamten an der Grenze. Käse, Käse, Käse... Aber nicht nur! Versteckt
unter Parmesan und Bel Paese befanden sich acht schwere Kisten mit fabrikneuen
Faustfeuerwaffen: Revolvern und Pistolen sowie dazugehöriger Munition.
    An die 500 Meuchelpuffer, dachte Werdy.
Alle amerikanischer Herkunft. Zusammen mit der Munition sind sie eine Menge
Geld wert. Vor allem in der Stückzahl. Selbst wenn einer ‘nen Waffenschein hat,
kann er nicht einfach hingehen und so ein Arsenal (Waffenlager) einkaufen. Sofort hätte er die Polente auf dem Hals. Und man würde ihm
peinliche Fragen stellen. Zum Beispiel, wo der Krieg stattfinden soll.
    Im Hafen von Genua hatten sie die
Kisten übernommen, heimlich und nachts. Sie wußten, daß es sich um Beute
handelte. Diebe, die für den Chef arbeiteten, hatten sie aus einer
Schiffsladung gestohlen, die unter Zollverschluß stand. Anderntags hatten die
Zeitungen groß darüber berichtet. Und man fragte sich, wer sich da bis an die
Zähne bewaffnete. Terroristen? Banditen? Mafiosi?
    Einzelheiten wußten weder Riscanto noch
Werdy.
    Ihre Aufgabe war, die Kisten hierher zu
bringen und an einem sicheren Ort zu verstecken. Dort würden sie nachher auch
den Chef treffen.
    Ganz beendet war ihre Aufgabe damit
noch nicht.
    Der Chef hatte verfügt, daß einer von
ihnen die Kisten bis morgen abend bewachte. Dann würde der Empfänger sie
abholen: jemand, der heiße Ware in bar bezahlte.
    Andeutungsweise hatten sie erfahren,
daß es sich um einen Syrer handelte, einen Dr. Salah Selemiye, der eine Gruppe
blutrünstiger Terroristen damit ausrüsten wollte. Also ein politischer
Hintergrund. Das interessierte die beiden nicht. Sie wollten nur alles
möglichst schnell hinter sich bringen und die Bezahlung in Empfang nehmen.
    „Schläfst du schon wieder?“ fragte
Werdy.

    „Nein.“
    „Doch. Verdammt noch mal!
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