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Um Haaresbreite

Um Haaresbreite

Titel: Um Haaresbreite
Autoren: Clive Cussler
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ausging?
    Seine Flosse hatte eine dichte Schlammwolke aufgewirbelt, die den Strahl seiner Lampe völlig verdunkelte. Er schwebte regungslos, erkannte kaum noch die Richtung der aus seiner Gesichtsmaske dringenden Luftbläschen. Er folgte ihnen aufwärts, bis er wieder in klares Wasser kam, und dann begann er, mit dem Kopf nach unten, über die Decke der Höhle zu wandern. Es war ein seltsames Gefühl, fast als wäre die Schwerkraft aufgehoben.
    Eine Gabelung nahm vor ihm in der Dunkelheit langsam Form an. Den Luxus einer wohlüberlegten, aber zeitraubenden Entscheidung konnte er sich nicht leisten. Er rollte sich um und stieß sich mit dem Fuß nach links. Plötzlich fiel der Strahl seiner Lampe auf einen zerrissenen und rostigen Taucheranzug im Schlamm. Er näherte sich ihm vorsichtig. Auf den ersten Blick sah es aus, als habe sein Besitzer ihn weggeworfen. Er ließ den Strahl die Beine hinauf und über die eingesunkene Brust gleiten, und dann richtete er ihn auf die immer noch am Helm befestigte Gesichtsmaske. Leere Augenhöhlen starrten ihn an.
    Entsetzt entfernte er sich wieder rückwärts von dem grausigen Anblick. Dieser Taucher mußte versucht haben, einen Ausweg zu finden. Wahrscheinlich war dieser Gang eine Sackgasse.
    Die Gebeine des zweiten Tauchers waren sicher tief im Schlamm begraben.
    An die Gabelung zurückgekehrt, blickte Pitt auf seinen Kompaß. Reine Zeitverschwendung.
    Es blieb ihm ja nur noch der Weg nach rechts. Die hinderliche Kabelspule hatte er längst weggeworfen. Seine Atemzeit war so gut wie abgelaufen.
    Er versuchte, den Atem zurückzuhalten, die Luft zu sparen, aber er fühlte bereits den Druckverlust. Nur noch ein paar kostbare Atemzüge.
    Sein Mund war sehr trocken. Er konnte nicht schlucken, und es wurde ihm sehr kalt. Er war zu lange im kalten Wasser gewesen und erkannte die ersten Zeichen der Unterkühlung.
    Eine seltsame Ruhe kam über ihn, als er tiefer in die Finsternis schwamm.
    Pitt nahm den letzten Atemzug als unvermeidlich hin und entledigte sich der jetzt unnützen Preßluftflaschen, die er in den Schlamm versinken ließ. Er fühlte keinen Schmerz, als er mit dem Knie auf einen Steinhaufen stieß. Jetzt blieb ihm nur noch eine Minute. So lange würde die Luft in seinen Lungen noch ausreichen. Mit Widerwillen dachte er an die Taucher in der anderen Gabelung, und der Anblick des leeren Schädels kam ihm nicht aus dem Sinn.
    Die Lungen schmerzten ihn, der Kopf schien in Flammen aufzugehen. Er schwamm weiter, wagte nicht aufzuhören, solange sein Gehirn noch funktionierte.
    Irgend etwas leuchtete in der Ferne auf. Es schien meilenweit weg zu sein. Die ewige Finsternis kroch langsam auf ihn zu. Das Herz pochte
in
seinen Ohren, und die Brust war wie eingedrückt. Aller Sauerstoff war verbraucht.
    Die letzten verzweifelten Sekunden tickten auf ihn zu. Seine Nachtsuche war beendet.

82
    Langsam und unerbittlich zog sich das Netz zu, so erbittert auch Macklin und seine Leute kämpften. Die Toten und Verwundeten mehrten sich, und der Boden war mit Patronen übersät.
    Die Sonne hatte den Nebel aufgelöst. Sie sahen jetzt ihre Ziele besser, aber das gleiche galt für die sie umzingelnden Männer.
    Sie kämpften furchtlos, sie wußten von Anfang an, daß es für sie keinen Fluchtweg gab. Aber für englische Soldaten war es nichts Neues, fern der Heimat zu kämpfen.
    Macklin humpelte auf Shaw zu. Er trug den linken Arm in einer blutverschmierten Schlinge, und sein Fuß steckte in einem dicken, verkrusteten Verband. »Ich fürchte, wir sind am Ende, alter Knabe. Viel länger halten wir nicht mehr durch.«
    »Ihr habt euch ruhmreich geschlagen«, sagte Shaw.
    »Sie sind gute Jungen, und sie taten ihr Bestes«, sagte Macklin mit müder Stimme.
    »Haben wir eine Chance, durch das verdammte Loch zu brechen?«
    »Wenn ich Caldweiler wieder frage, wie es steht, wird er mir wahrscheinlich mit seiner Schaufel den Schädel einschlagen.«
    »Steckt doch ’ne Ladung Sprengstoff rein, damit endlich Schluß ist.«
    Shaw blickte ihn nachdenklich an. Dann kroch er zum Grabenrand. Die Männer, die die Eimer herauf beförderten, sahen aus, als würden sie jeden Augenblick vor Erschöpfung zusammenbrechen. Sie waren völlig durchschwitzt und atmeten keuchend.
    »Wo ist Caldweiler?« fragte Shaw.
    »Ist selber runtergegangen. Behauptet, er könne noch am schnellsten buddeln.«
    Shaw lehnte sich über den Abgrund. Der Schacht hatte eine Biegung gemacht, und der Waliser war nicht zu sehen. Shaw brüllte
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