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Um Haaresbreite

Um Haaresbreite

Titel: Um Haaresbreite
Autoren: Clive Cussler
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aufzuheitern.«
    Heidi lachte leise durch ihre Tränen. »Seit wann betätigst du dich als Zauberkünstler?«
    Pitt machte ein gespielt betroffenes Gesicht. »Hast du noch nie von dem großen Magier Pitt gehört?«
    »Nein.«
    »Dann werde ich es dir mal zeigen. Schließe die Augen.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Schließe die Augen und zähle langsam bis zehn.«
    Heidi tat schließlich, wie ihr geheißen. Als sie die Augen öffnete, war Pitt fort, und Brian Shaw saß an seiner Stelle.
    Jetzt ließ sie ihren Tränen freien Lauf, umarmte ihn schluchzend, weinte hemmungslos.
    »Ich dachte, du wärest eingesperrt«, brachte sie mühsam hervor.
    Shaw zog die Hände unter seinem auf dem Schoß gefalteten Regenmantel hervor und zeigte die Handschellen. »Pitt hat es arrangiert, daß ich kommen durfte.«
    Sie berührte zärtlich den Verband unter seiner Tweedmütze.
    »Tut es noch sehr weh?«
    »Eine Weile sah ich alles doppelt, aber jetzt ist es wieder fast normal«, antwortete er lächelnd.
    Die Hosteß am Anmeldeschalter rief die Passagiere für Heidis Flug zum Einsteigen auf.
    »Was wird mit dir geschehen?« fragte sie angstvoll.
    »Ich werde wahrscheinlich ein paar Jahre in einer deiner Bundesstrafanstalten absitzen müssen.«
    »Würdest du mich für rührselig halten, wenn ich dir sagte, daß ich dich liebe?«
    »Würdest du mich für einen Lügner halten, wenn ich dir das gleiche sagte?«
    »Nein«, sagte sie. Und sie fühlte sich erleichtert, weil sie wußte, daß er nicht log.
    Shaw sagte: »Ich verspreche dir, daß wir eines Tages wieder zusammen sein werden.«
    Das war natürlich ausgeschlossen. Es schmerzte sie tief in ihrer Brust. Sie zog sich fort von ihm. »Ich muß gehen«, flüsterte sie.
    Er sah, was sie dachte, und verstand. Er half ihr auf, gab ihr die Krücken. Ein hilfreicher Steward kam herbei, nahm Heidi die Reisetasche und die Blumen ab. »Lebe wohl, Heidi.«
    Sie küßte ihn leicht auf die Lippen. »Lebe wohl.« Nachdem Heidi durch die Einstiegstür verschwunden war, trat Pitt auf Shaw zu und stellte sich neben ihn.
    »Ein so liebes Mädchen«, sagte er. »Es wäre eine Schande, sie zu verlieren.«
    »Ein liebes Mädchen«, stimmte Shaw traurig zu.
    »Wenn Sie sich nicht beeilen, wird sie ohne Sie abfliegen.«
    Shaw blickte ihn an. »Was soll das heißen?«
    Pitt schob Shaw einen Umschlag in die Brusttasche. »Ihre Bordkarte und das Flugbillett. Ich habe Ihnen den Platz neben ihr reserviert.«
    »Aber ich stehe doch unter Arrest als feindlicher Agent«, sagte Shaw, der überhaupt nichts mehr verstand.
    »Der Präsident schuldete mir eine Gefälligkeit«, erwiderte Pitt achselzuckend.
    »Weiß er, was Sie tun?«
    »Noch nicht.«
    Shaw schüttelte den Kopf. »Sie handeln sich Ärger ein, wenn Sie mich in Freiheit setzen.«
    »Es wäre nicht das erste Mal.« Pitt gab ihm die Hand. »Und vergessen Sie nicht Ihr Versprechen, mir das Backgammon beizubringen.«
    Shaw reichte ihm beide Hände, hielt sie dann hoch, ließ die Handschellen sehen. »Äußerst unbequem, diese Dinger.«
    »Für einen Geheimagenten sollte es ein Kinderspiel sein, das Schloß zu öffnen.«
    Shaw machte eine Reihe von Bewegungen unter dem Regenmantel. Dann zeigte er die Schellen, hatte die Hände frei.
    »Ich bin ein bißchen eingerostet. Früher habe ich es viel schneller geschafft.«
    »James Bond wäre stolz auf Sie gewesen«, sagte Pitt lächelnd.
    »Bond?«
    »Ja, Sie sollen ihm sehr nahegestanden haben.«
    Shaw seufzte müde. »Den gibt es nur in Romanen.«
    »Tatsächlich?«
    Shaw zuckte die Schulter, und dann sah er Pitt lange an.
    »Warum tun Sie das nach all dem, was ich Heidi angetan habe?«
    »Sie liebt Sie«, sagte Pitt ganz einfach.
    »Und was haben Sie davon?«
    »Nichts, was mein Bankkonto vergrößern könnte.«
    »Also warum?«
    »Weil ich gern ungewöhnliche Dinge tue.«
    Bevor Shaw antworten konnte, hatte sich Pitt umgedreht und war in der Menge verschwunden.
    Der Regen hatte aufgehört, und Pitt ließ das Verdeck des Cobras herunter. Er fuhr auf die Lichter von Washington zu, die sich gespenstisch von den niedrigen dunklen Wolken abhoben.
    Der Wind peitschte sein Haar, und er atmete tief den süßen Duft des nassen Grases der Felder neben dem Highway ein.
    Pitt griff das Steuer fester, trat das Gaspedal durch und schaute auf die Nadel des Tachometers, die langsam in die rote Zone stieg.
    ENDE
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