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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Autoren: Alex Raack
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eingeschlafen.
    Ich war dankbar für jede Aufgabe, in die ich mich stürzen konnte, um meine zerbrochene Familie irgendwie zu vergessen. Zu Beginn des Jahres 2002 trat ich mit einem alten Bekannten in Kontakt, einem Spielervermittler aus dem Bremer Umfeld. Mit der Fußballszene hatte ich schon seit einer halben Ewigkeit nichts mehr zu tun gehabt, als Ehemaliger und Alkoholiker war ich schnell vergessen worden, abgeheftet in der riesigen Datei »Ex-Profi«. Das wollte besagter Spielervermittler ändern. Es sollte doch wohl möglich sein, einen ehemaligen Nationalspieler und Deutschen Meister irgendwo im Geschäft unterzubekommen! Unter seiner Anleitung schrieb ich Bewerbungen, insgesamt 16 Stück, die ich an verschiedene Vereine in der Zweiten Bundesliga und Regionalliga schickte. Uli Borowka. 388 Bundesligaspiele. Zweimal Deutscher Meister. Zweimal Pokalsieger. Sechsfacher Nationalspieler. Trockener Alkoholiker. Sucht Arbeit.
    Die Reaktionen hätte ich mir lieber ersparen sollen. Wenn sich überhaupt mal jemand auf meine höflichen Anfragen meldete, dann konnte ich mir sicher sein, dass am Ende folgendes Totschlagargument sämtliche Pläne für die Zukunft zunichtemachte: Ein Alkoholiker in unserem Verein? Nein, danke. Ein Club, der sich meine Verpflichtung ernsthaft überlegte, ließ schließlich fünf Vereinsvertreter darüber entscheiden. Ergebnis: 3:2 gegen mich. Später erfuhr ich, warum sich die entscheidende fünfte Person gegen mich entschieden hatte. Man hatte sich die Frage gestellt: Was passiert, wenn der uns besoffen von der Bank kippt? Dass ich ein ehemaliger Alkoholiker war, einer, der seine Krankheit erfolgreich bekämpfte, wurde einfach ignoriert. Einmal Alki, immer Alki. Dieses Negativimage haftet mir bis heute an. Das Schlimmste ist: Ich kann nichts dagegen tun.
    Ich hatte sicherlich damit gerechnet, dass mich nicht unbedingt die halbe Bundesliga mit offenen Armen und gut bezahlten Jobs willkommen heißen würde, aber dass die Ablehnung so weit verbreitet war, die Vorurteile gegenüber dem ehemaligen Trinker so stark waren, hätte ich nicht für möglich gehalten. Balli versuchte es Ende 2002 sogar über Vitamin B und rief beim damals noch kommissarisch eingesetzten FC-St.-Pauli-Präsidenten Corny Littmann an, um ihn nach einer möglichen Arbeitsstelle zu fragen. Wenn ein Verein in Deutschland tolerant genug war, um einem ehemaligen Alkoholiker eine neue Chance zu geben, dann doch der Club vom Kiez. Doch auch in Hamburg war für mich kein Platz frei. Immerhin reagierte Littmann auf unsere Anfrage, meldete sich auch zurück und zollte mir Respekt für meinen Therapieerfolg. Aber eine Stelle hatte auch er nicht für mich.
    Mein altes Leben hatte ich hinter mir gelassen. Die Pokale und Medaillen verstaubten im Keller meines Elternhauses. Meine Familie wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Der Sauferei hatte ich abgeschworen. Ich wollte gerne ein neues Leben beginnen. Aber statt helfende Hände gereicht zu bekommen, bekam ich tagtäglich eins in die Fresse. Es war frustrierend.
    Das Jahr 2002 plätscherte an mir vorbei. Weiterhin bestanden meine einzigen Einnahmen aus den Gewinnen am Spieltisch und Gelegenheitsjobs. Immerhin spielte ich wieder Fußball, in der Berliner Ü-40-Altliga mischten wir mit den Neuköllner Sportfreunden die Szene richtig auf. Es war großartig, mal wieder ein wenig Wettkampfatmosphäre zu schnuppern. Aber auch nicht mehr als ein paar Stunden Ablenkung.
    Umso mehr freute ich mich, als zu Beginn der neuen Saison 2003 der Berliner AK erneut auf mich zukam und meine Hilfe benötigte. Schon einmal, Ende 2001, hatte ich beim BAK für zehn Spiele ausgeholfen, von denen wir fünf gewonnen und fünf unentschieden gespielt haben und damit nicht abgestiegen sind. Jetzt stand ich vor einer richtigen Aufgabe. Und ich war erfahren genug, um in einem Club, dem damals ein ziemlich chaotischer Ruf anhaftete, ganz normal meiner Arbeit nachzugehen. Dachte ich jedenfalls. Denn bereits 2002 hatte ich in nur vier Monaten Türkiyemsspor Berlin vor dem Abstieg gerettet, ein kurzes Intermezzo, das mich ganz euphorisch gemacht und dann doch nur wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurückgebracht hatte. Balli hatte mich noch vor den Vereinsverantwortlichen und ihrer ziemlich kuriosen Personalpolitik gewarnt, doch nach den ersten Trainingseinheiten mit meiner neuen Mannschaft war ich so beseelt gewesen, dass ich seine Warnungen in den Wind geschossen hatte. Bis ich urplötzlich, kurz nach der
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