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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Autoren: Alex Raack
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bekommen. Ein radikaler Standpunkt, den Claudia von Anfang an kannte. Wir lebten gemeinsam in den Tag hinein. Sie stand morgens auf und ging zur Arbeit, zahlte die Miete und anstehende Rechnungen. Ich schlief bis mittags, stand dann auf und wartete, bis Claudia nach Hause kam. Zocken ging ich nur noch gelegentlich, die Arbeit als Spielervermittler oder als Trainer ruhte komplett. Ehrlich gesagt hatte ich mich in dieser Zeit vom Fußball verabschiedet. Wenn mich schon niemand haben wollte, wollte ich nicht derjenige sein, der weiterhin sehnsüchtig auf die nächste Chance hoffte. Ähnlich war es mit meinen Kindern. Ich zwang mich, nicht so häufig an Tomek und Irina zu denken, an die verpassten Möglichkeiten als Vater. Wir verloren uns. Ich musste das akzeptieren und konnte nur mehr hoffen – was blieb mir anderes übrig?
    Lange konnte es so nicht mehr weitergehen. Da ich notorisch knapp bei Kasse war, übernahm Claudia so gut wie alle anfallenden Kosten. Und wenn ich sie mal schick zum Essen ausführen wollte, lieh ich mir das Geld von ihr. Claudia hatte eine erstaunliche Geduld mit mir, doch nach etwa eineinhalb Jahren fing sie an, mir regelmäßig in den Hintern zu treten. »Du kannst hier nicht den ganzen Tag rumhängen und einfach nichts tun. Geh raus, arbeite an dir, such dir einen Job. Sieh zu, dass du dein Leben geregelt bekommst!« Anfangs ignorierte ich ihre Warnrufe, doch es dauerte nicht lange, bis sie mir die Pistole auf die Brust setzte: Beweg deinen Hintern, sonst ist das hier mit uns vorbei!
    Das wirkte. Nach und nach kroch ich wieder aus meinem Schneckenhaus. Ich hörte mich nach möglichen Jobs um, machte meinen Führerschein neu und zeigte endlich die Bereitschaft zur Veränderung, die Claudia so an mir vermisst hatte. Das half unserer Beziehung, die sich langsam, aber sicher zu einer ernsten Angelegenheit entwickelt hatte, und natürlich auch meinem Selbstwertgefühl, das durch die Enttäuschungen der vergangenen Jahre arg gelitten hatte.
    Anfang 2007 dann bekam ich endlich die Starthilfe, auf die ich so lange gewartet hatte: Über die GOFUS, einer gemeinnützigen Organisation golfender Fußballer, der ich bereits seit dem Gründungsjahr 2001 angehörte, wurde ich von den Organisatoren der »Bitburger Talentförderung« kontaktiert. Gemeinsam mit den GOFUS hatte die Brauerei die Aktion ins Leben gerufen, die Kindern aus kleinen Amateurvereinen die Chance geben sollte, von ehemaligen Profis trainiert zu werden. Ich sollte einer dieser Trainer sein. Der trockene Alkoholiker im Dienste einer Bierbrauerei? Es funktionierte ganz wunderbar, und außerdem wurde ich ja nicht mit 0,33-Flaschen bezahlt. Da war sie, die neue Aufgabe, die Chance, mal wieder meine Energie sinnvoll einzusetzen, statt mir auf der Couch den Hintern breit zu sitzen!
    Den Sommer 2007 habe ich in geradezu seliger Erinnerung. Vier Monate tourte ich mit meinem Auto, den Kofferraum immer vollgepackt mit Bällen und Trainingsmaterial, durch die neuen Bundesländer, GOFUS und Bitburger hatten mir den kompletten Osten Deutschlands als Zuständigkeitsbereich zugeteilt. Ich hatte eine großartige Zeit. Als der Sommer vorbei war, hatte ich 58 Vereine trainiert und dabei mehr als 30000 Kilometer abgerissen. Heute hier, morgen dort, ich genoss jede Tour, jeden Verein, jedes freundliche Gesicht, jeden Fußballzwerg. Meine Gastgeber hießen FC Rot-Weiß Nennhausen, SV Blau-Gelb Falkensee, FSV Havelberg 1911 oder SV Rüdnitz/Lobetal. Wenn ich mit meinem Auto auf die Sportplätze fuhr, erwarteten mich bereits komplette Dorfgemeinschaften. Die Vereine hatten sich schließlich im Zuge der Talentförderung bewerben müssen, ich war der Hauptpreis. Dementsprechend ausgelassen war die Stimmung. Ich wurde mit Kaffee und Kuchen begrüßt und nach dem Training mit einem Grillfest verabschiedet. Nach den Jahren voller Ungewissheiten und Trainingseinheiten mit unmotivierten Pseudoprofis, die sich als Oberligaspieler schon in der Champions League kicken sahen, waren die Tage auf den Provinzplätzen eine reine Wohltat.
    Als kleiner Wicht hatte ich mich selbst in den Fußball verliebt und war ihm so viele Jahre treu geblieben, immer mit der besonderen Motivation, die nur das Gefühl auslösen kann, wenn man als Fußballverrückter gegen einen Ball treten kann. Diesen Spaß am Spiel entdeckte ich im Sommer 2007 wieder. Wenn mich die F- oder E-Jugendlichen anstrahlten, obwohl sie gar nicht wussten, wer ich war, oder die A-Jugendlichen nach einer knallharten
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