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Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)

Titel: Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Autoren: Alex Raack
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wieder einen Tropfen Alkohol anzurühren. Ich stellte extrem viele Regeln auf, um den Alltag zu bewerkstelligen. Ich lernte, nein zu sagen. Ich lernte, mich zu beherrschen. So wie ich mir einst meine Karriere als Fußballer durch brutalen Willen und Ehrgeiz ermöglicht hatte, arbeitete ich nun an meiner Laufbahn als trockener Alkoholiker. Leicht war es nie. Gerade in der Anfangszeit machte ich, der doch früher regelmäßig die Nacht zum Tage gemacht hatte, einen großen Bogen um Partys oder andere Veranstaltungen. Und wenn ich dann doch dazu überredet wurde, auf eine Geburtstagsfeier zu gehen, verschwand ich meistens nach ein oder zwei Stunden wieder. Nicht dass ich nicht auch ohne Alkohol Spaß an einer anständigen Feier gehabt hätte, im Gegenteil, aber die ständigen Fragen nach meinem Trinkverhalten und die daraus resultierenden Antworten gingen mir schlichtweg auf den Keks. In Deutschland ist es ja so: Wenn man keinen Alkohol trinkt, muss man sich dafür rechtfertigen! Wenn man sagt: Ich trinke nicht, denn ich bin alkoholkrank, dann hauen einem die Menschen nicht anerkennend auf die Schulter, nein, sie schauen dich an, als ob du der Mann vom Mond wärst. Und wenn sie dich dann endlich in Ruhe lassen, kannst du ihnen dabei zuschauen, wie sie sich die Lampen ausschießen und debil grinsend an dir vorbeitorkeln. Sicherlich, ich spreche hier von den extremen Fällen. Ich habe auch einige Menschen getroffen, die meine Entscheidung aufrichtig anerkannten – aber die waren klar in der Minderheit. Ich sollte bald merken, wie tief die Vorurteile gegenüber trockenen Alkoholikern wirklich sitzen.
    Die ersten beiden Jahre hatte ich schadlos überstanden. Ein echter Erfolg, wenn man bedenkt, wie viele Menschen nach überstandener Suchttherapie wieder rückfällig werden. Doch dann passierte etwas, das mich fast aus der Bahn geworfen hätte: Am 20. Februar 2002 starb mein Vater an den Folgen eines Nierenleidens.
    Etwa eine Woche vor seinem Tod hatte ich meinen Vater noch im Krankenhaus besucht. Gemeinsam mit Balli war ich von Berlin nach Hemer gefahren, um ihn und meine Mutter zu sehen. »Junge, mach dir mal keine Sorgen um mich. Ist nicht so schlimm. In zwei Tagen bin ich wieder zu Hause«, hatte mein Vater in seiner typischen Art gesagt.
    Sieben Tage später rief meine Mutter an und teilte mir mit, dass mein Papa soeben gestorben sei.
    Viele Mitmenschen in meiner unmittelbaren Umgebung, allen voran natürlich Balli, machten sich große Sorgen um mich. Wenn es einen Grund gab, wieder mit dem Saufen anzufangen, jetzt hatte ich ihn. Und tatsächlich schwirrten diese hässlichen Gedanken für einen Moment durch meinen Kopf. Aber nicht lange. Ich erinnerte mich an unsere gemeinsame Fahrt von der Klinik nach Hause und die so wichtige Aussprache. »Papa, ich bin jetzt trocken«, hatte ich ihm gesagt. Und als wir uns wenige Tage vor seinem Tod am Krankenbett trafen, da blickte mein Vater in das Gesicht seines Sohnes, der den Worten von damals tatsächlich Taten hatte folgen lassen. Der sein Versprechen einlöste. So und nicht anders sollte mich mein Vater in ewiger Erinnerung behalten: Nüchtern. Trocken. Ein Mensch, der seinen inneren Dämon erfolgreich bekämpfte. Mein Vater hatte mich als gesunden Mann gesehen. So sollte es auch bleiben. Ich schaffte das, was ich eigentlich für unmöglich gehalten hatte: Aus dem Tod meines Vaters zog ich die Motivation, meinen eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Wer weiß, wie ich mich entschieden hätte, wenn ich meinem alten Herrn nicht noch so kurz vor seinem Tod Auge in Auge gegenübergestanden hätte.
    Derweil war der Kontakt zu meiner eigenen Familie nur noch sporadisch vorhanden. Telefonate oder gar Treffen mit meinen Kindern wurden immer seltener und fanden bald gar nicht mehr statt. Ich konnte es Irina und Tomek nicht verübeln, dass sie ihrem Vater mit einer riesigen Portion Skepsis gegenübertraten. Denn: Wo war ich denn in den vergangenen Jahren gewesen? Wann war ich der Vater gewesen, den sie eigentlich verdienten?
    Und trotzdem traf mich jedes abgeblockte Telefonat, jedes verhinderte Treffen bis ins Mark. Ich hatte mich geändert, ich arbeitete hart an mir und hatte meiner Sucht in einer brutalen Therapie abgeschworen. Ich wollte gerne wieder ein Vater für meine Kinder sein. Aber statt sich wieder langsam einander anzunähern, drifteten wir unweigerlich immer weiter auseinander. Es war furchtbar. Bis zum heutigen Tag ist der Kontakt bis auf wenige Ausnahmen so gut wie
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