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Ueber die Verhaeltnisse

Ueber die Verhaeltnisse

Titel: Ueber die Verhaeltnisse
Autoren: Barbara Frischmuth
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wissen sie wenigstens, was sie an ihr haben. Und wer weiß, was mit Frô wirklich noch wird. Die muß erst einmal erfahren, daß Wiederholung abnützt. Wenn dieser Heyn dann erst Botschafter ist und sie sich wie die Frau Botschafter aufführen muß, wird sich schon herausstellen, ob ihr das noch schmeckt oder ob sie sich dann nicht doch lieber im SPANFERKEL an die Theke stellt, um gelegentlich mit den Stammgästen anzustoßen. Mela lächelt ein bißchen selbstgefällig, und der junge Mann schnurrt wie ein Kater, dem man das Fell krault.
    Wenn sie gerade genug sitzt, kann sie ihr Gesicht im Wohnzimmerspiegel anschauen. So gesehen, war auch diese Krankheit für etwas gut. Sie ist wesentlich schlanker geworden, und es steht ihr. Trotzdem wird sie sich beizeiten um einen anderen Liebhaber umschauen müssen, um was Älteres, wo sie dann die Junge ist, zumindest die Jüngere. Sie ist nicht gewillt, als Alternde um einen jüngeren Kerl zu zittern. Dazu hat sie zu viel im Leben gesehen, als daß sie sich auf so was einließe. Wär doch gelacht, wenn sie nicht was Passendes fände. Mein Gott, dieser Heyn ist ganze zwanzig Jahre älter als Frô. So was ist natürlich ein Unsinn, aber sie, die Mutter,hat ihn, wie es aussieht, nicht verhindern können. Abwarten. Auch für Frô wird es einmal einen jungen Mann geben.
    »Höchstwahrscheinlich werden wir in einem Jahr ohnehin alle zurücktreten müssen.« Die Hand des jungen Mannes ruht selbstvergessen auf einem empfindlichen Punkt, ohne es auszunutzen.
    »Aber den Gefallen tu ich niemandem, daß ich das Ganze einfach hinschmeiß.«
    Seit geraumer Zeit schon ist Mela Zeugin der Metamorphose des jungen Mannes zum Politiker. Ohne daß er es selber merkt, hat er zu taktieren begonnen, und im Grund denkt er schon an die übernächste Periode.
    »Willst dich wohl noch überzeugend präsentieren?« Mela hat laut gedacht, und der junge Mann fragt in beinah gereiztem Ton: »So schlecht ist das? Irgendwann wird man sich schon dran erinnern. Einfach aufgeben heißt schließlich auch nichts.«
    »Und der Chef?« Zum ersten Mal fragt Mela den jungen Mann diesbezüglich. Bisher hat sie immer als die Eingeweihtere gegolten.
    »Der hört nicht auf. Der setzt sich nur nicht mehr in die Auslage. Bei dem Exterieur, das er hat, ist er doch nur der Brunzbaum für die Medien.«
    »Und an der Sache wirst du kaum mehr was ändern können?« Mela spielt mit einer neuen grauen Strähne am Hinterkopf des jungen Mannes.
    »Können könnt ich vielleicht schon. Die Frage ist nur, ob man mich noch läßt.«
    »Wer soll dich denn nicht lassen?«
    »Manche meinen, daß wir uns aufsparen sollen für die Zeit danach. Jetzt sollen einmal die anderen zeigen, was sie alles nicht können. Dann täten wir uns hinterher wieder leichter.«
    »Also nicht nur das alte Spiel, sondern auch die alten Regeln.« Mela schnauft verächtlich.
    »Was willst du, die Welt ist sich ja auch gleichgeblieben. Ich habe nur länger gebraucht, um das zu begreifen.«
    »Und jetzt weißt du es?«
    »Ich habe Lehrgeld genug bezahlt.«
    »Das haben wir alle. Ich finde, bei dir ist es eigentlich recht schnell gegangen.«
    »Ach komm, ausgerechnet du willst mir sagen, daß ich die revolutionären Zielsetzungen vergessen habe?«
    »Ich will dir gar nichts sagen«, Mela redet, als wäre sie schon nicht mehr wirklich interessiert. »Ich hör dir nur zu. Aber es klingt mittlerweile so anders.« Und dann wischt sie das Ganze mit einer großen Streichelbewegung vom Tisch. Ihr kann es schließlich egal sein. Sie ist nie einer der großen Ideen verpflichtet gewesen.
    Aber trotz aller gespielten Lockerheit nagt die unmittelbare Zukunft heftig an dem jungen Mann. »Noch«, sagt er, »ist es nicht soweit. Noch kann für uns alles günstig ausgehen. Das wäre zwar wider alle Prognosen, aber vielleicht läßt sich das Volk« – auf einmal ist wieder vom Volk die Rede – »doch nicht so genau vorhersagen, wie die Herren von den Umfrage-Instituten sich das vorstellen. Die Leute sind ja im Grund nicht blöd …«
    In diesem Augenblick schießt eine Lachfontäne aus Mela hervor, daß der junge Mann erschrocken seinen Kopf von ihrem Schoß hebt. Aber das Lachen gluckert und gischtet mit solcher Vehemenz aus ihr hervor, daß sie sich kaum mehr geradehalten kann und, in ihrem Geschütteltsein nach Halt suchend, ihn umarmen muß. Nur langsam ebbt die Eruption wieder ab und versickert in einem stoßweisen Kichern.
    »Großartig«, sagt Mela, nachdem sie auch das
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