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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister
Autoren: Wolfgang Teltscher
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offensichtlich bereits befand.

Kapitel 4
    Brenner saß hinter seinem Schreibtisch. Er betrachtete ohne besonderes Interesse den Stadtplan von Barsinghausen, der in seinem Büro an der Wand hing. Die Sonne schien gleißend durch das Fenster, zum Glück hielt die Klimaanlage die Temperatur auf einem erträglichen Niveau. Er war rundum zufrieden mit sich und seinem Leben. Das war ein schönes Gefühl – er hatte es bis vor wenigen Monaten kaum gekannt.
    Drei Ereignisse hatten sein Leben in den letzten achtzehn Monaten verändert.
    Als Erstes die Tatsache, dass sein ehemaliger Chef, Hauptkommissar Matuschek, vor fast zwei Jahren in den Ruhestand gegangen war. Dass Matuschek einen Monat später unter tragischen Umständen ums Leben kam, fand Brenner zutiefst bedauerlich, aber es änderte nichts daran, dass er froh gewesen war, als der Hauptkommissar das Büro an seinem letzten Arbeitstag verlassen hatte. Brenner war Matuscheks engster Mitarbeiter gewesen, in der täglichen Arbeit allerdings hatte der Kommissar ihn weitgehend ignoriert. Das war längst nicht alles, was Brenner an Matuschek gestört hatte. Besonders ärgerlich hatte er Matuscheks ausgeprägten Geiz mit seinen privaten finanziellen Mitteln, aber auch mit dem Geld seines Arbeitgebers gefunden. Damit hatte Matuschek verhindert, dass das Dezernat mit der neusten Technik, vor allem den Computern der letzten Generation, ausgerüstet wurde. Nach Brenners Überzeugung war das ein Grund, dass nicht alle Verbrechen so schnell aufgeklärt wurden, wie es die Menschen in der Stadt verdienten. Glücklicherweise war das nun Vergangenheit. Jetzt war Brenner der Chef und hatte mit Nachdruck die Modernisierung der Dienststelle vorangetrieben, außerdem hatte er einen Assistenten, so wie er früher selbst einer gewesen war.
    Solange er im Schatten von Matuschek gestanden hatte, war es Brenner kaum möglich gewesen, ein eigenes Profil als Kriminalist zu entwickeln. Seine Vorgesetzten hatten ihn nach Matuscheks Ausscheiden zu einem, aus seiner Sicht, völlig überflüssigen Eignungstest in ein »Assessement-Center« geschickt. Nach langem Zögern rang man sich in der Polizeidirektion in Hannover danach durch, ihm die Position als Matuscheks Nachfolger anzubieten. Seitdem leistete er – davon war er fest überzeugt – gute Arbeit. Leider hatte es in seinem Bereich noch kein großes Verbrechen gegeben, welches das Interesse der überregionalen Medien gefunden hätte. Immerhin hatte er die Täter, die er bisher gesucht hatte, schnell und professionell überführt, und wenigstens die regionale Presse hatte über diese Fälle berichtet.
    Zuerst war es der Mord an einer zweiundfünfzigjährigen Frau, die man verblutet in ihrem Bett fand, wo sie friedlos entschlafen war. Nach der kompetenten Arbeit durch die Spezialisten der Spurensicherung wusste er sofort, wer der Mörder war: der Ehemann, der zusammengesunken am Küchentisch saß, nachdem er die Polizei angerufen hatte. Er hatte seine Frau in einem Wutanfall mit einem Brieföffner erstochen, den er als Werbegeschenk von seiner Bank bekommen hatte. Die Tote hatte vorher zu laut dagegen protestiert, dass ihr Gatte sich eine dreißigjährige Geliebte neben ihr gestattete.
    Kurz darauf entdeckte man in der Wartehalle des unbenutzten Bahnhofsgebäudes der Stadt einen toten Obdachlosen mit einer Platzwunde am Kopf, die als Todesursache diagnostiziert wurde. Die Polizei unterhielt sich mit den anderen bekannten Wohnungslosen des Ortes und stellte fest, dass einer von ihnen nicht mehr in der Stadt war. Mithilfe der Kollegen von der Polizei in der Umgebung fand man ihn auf der anderen Seite des Deisters. Der Mann gab die Tat ohne Zögern zu. Er sagte, der Tote sei eigentlich sein Freund gewesen, dennoch hätten sie sich um eine Flasche preiswerten Weinbrands aus dem Supermarkt gestritten. Dabei war es durch einen Schlag mit der Flasche auf den Kopf seines Freundes zu dem tragischen Unfall gekommen. Brenner tat der Mann leid, er war kein gewalttätiger oder gemeiner Mensch; er war lediglich durch Hoffnungslosigkeit dem Leben gegenüber gleichgültig geworden. Er unterlag nun der Fürsorge einer Justizvollzugsanstalt, und Brenner hoffte, sie würden ihn dort bis zu seinem Lebensende behalten – so einen warmen und sicheren Platz würde er in der Freiheit vermutlich nie wieder finden.
    Der dritte Fall war der des schwer verletzten Wanderers in der Nähe des Kammwegs oben auf dem Deister. Ein drogenabhängiger Teenager hatte dem Mann
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