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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld
Autoren: James Sallis
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Möglichkeiten stehen Ihnen hier zur Verfügung, um einen Tatort zu untersuchen?«
    »Wir bekommen von der State Police Spurensicherungskoffer. Als ich damals in dem Job anfing, wurde ich für ein paar Monate in die Hauptstadt geschickt, und habe später alles, was ich davon behalten habe, an meine Leute weitergegeben. Don Lee hat sich selbst das ein oder andere beigebracht. Wir haben alles gemacht, so gut wir eben konnten. Aber wie ich Ihnen direkt zu Anfang gesagt habe, sehen wir kein Land mehr.«
    »Ich habe mich genau ans Handbuch gehalten, Schritt für Schritt«, erzählte mir Don Lee. »Hab mehrere Fotos von Tatort und Leiche aus unterschiedlichen Perspektiven gemacht. Hab Klamotten und seine ganze Habe in Tüten verpackt, einschließlich einem Notizbuch - eine Art Tagebuch, vermute ich. Hab Materialproben gesammelt und Blutproben genommen.«
    Ich sah Bates an. Er zuckte die Achseln. »Was soll ich
sagen? Ich bin da nur irgendwie reingeraten. Er ist wie dafür geschaffen.«
    »Die Sache ist die«, sagte Don Lee. »Ich kann natürlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag weiter Proben nehmen, fotografieren und alles protokollieren, aber auch dann habe ich am Ende nur einen Haufen Tüten mit Aufklebern drauf. Alles nur Butter, keine Fische.«
    »Wo ist der Spurensicherungskoffer jetzt?«
    »Bei uns auf dem Revier.«
    »Schicken Sie das alles denn nicht normalerweise anschließend an die State Police?«
    »Hier gibt’s kein normalerweise«, meinte Bates. »Wir hatten noch nie die Möglichkeit, eines von den Dingern auszuprobieren. Tatsache ist, dass wir nicht mal mehr wussten, wo wir das Teil hingelegt hatten.«
    »Die State Police hat gesagt: ›Versiegelt es, wir nehmen’s mit, wenn wir vorbeikommen.‹«
    »Keinerlei Ausweispapiere bei der Leiche, nehme ich an?«
    Stereo-Nicken.
    »Und als Sie rumgefragt haben, das Foto gezeigt haben, kannte ihn keiner, hat ihn niemand gesehen. Nur ein weiterer von Amerikas unsichtbaren Männern.«
    Jepp.
    Ich hatte meinen Salat und mein Sandwich aufgegessen und drei oder vier Tassen Kaffee getrunken - Thelma kam immer wieder auf leisen Sohlen vorbei und schenkte nach. Viel zu gut für eine Serviererin. Von Don Lees Toast waren nur noch Krümel übrig und vier Marmeladendöschen mit abgerissenen Deckeln. Auf dem Teller des Sheriffs
wetteiferten Eigelb-Reste und ein See aus Ketchup miteinander.
    »Was ich nicht verstehe, ist, warum Sie mit der ganzen Sache weitermachen. Sie haben hier eine schöne Stadt. Sauber, unabhängig. Ganz offensichtlich kam dieser Kerl von auswärts, ist nicht irgendjemandes Vater, keiner Mutter Sohn. Keine einzige Stadt oder irgendein Police Department, das ich kenne, würde damit seine Zeit verschwenden. Sie würden einen Bericht schreiben, ihn zu den Akten legen und die ganze Sache vergessen.«
    »Nun, die sind natürlich an so was gewöhnt. Wir nicht.« Bates sah zur Tür, wo eine attraktive Frau in den Dreißigern in einem grauen Kostüm und einer cremeweißen Spitzenbluse stand und den Blick erwiderte. »Sag mir, dass das nicht unser Mann von der State Police ist.«
    »Das ist nicht unser Mann von der State Police«, sagte Don Lee.
    »Du weißt verdammt genau, dass das nicht stimmt.«
    Wie zur Bestätigung steuerte sie nun auf uns zu.
    »Wir stolpern hier nicht besonders oft über Leichen«, sagte Don Lee.
    »Und wenn« - dies kam von Bates -, »haben sie normalerweise nicht die Post des Bürgermeisters in der Tasche.«

Kapitel Sechs
    Im Prinzip gibt es keine Vermissten mehr.
    Es war kein Vermissten-Fall. Tatsächlich war es so ziemlich alles andere, aber eben kein Vermissten-Fall. Raub überfall, Körperverletzung, Mord. Gott weiß, was noch. Und so wurde uns das klargemacht: Es gibt keine Vermissten mehr.
    Der Captain übernahm höchstpersönlich die Dienstbesprechung an jenem Morgen. Gentlemen, sagte er. Officer. Gab es da ein Missverständnis? Als ich Sie gebeten habe, mit vereinten Kräften ans Werk zu gehen und gemeinsam Ihr Bestes zu geben, da habe ich erwartet, Sie begreifen, dass dies ausschließlich dem Zweck dienen sollte, den Tatverdächtigen zu finden. Stattdessen scheinen Sie ihn gemeinsam verloren zu haben.
    Vereinzelt wurde Gelächter laut, ein beklommenes Lachen, an das wir uns in den Folgemonaten noch gewöhnen sollten. Nach und nach verebbte dieses Lachen, bis wir während der morgendlichen Dienstbesprechung nur noch mucksmäuschenstill dasaßen. Keine Witze, kein Auspfeifen, kein endloses Piesacken, das Männern eigen ist, die auf
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