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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld
Autoren: James Sallis
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engstem Raum bei schwierigen Unternehmungen zusammengewürfelt sind. Wir saßen, wir hörten zu, einige machten sich Notizen, dann standen wir auf, stiegen in unsere Wagen und gingen beharrlich unseren Aufgaben nach.
    Es hatte natürlich schon lange vorher begonnen, an einem
Sonntagabend, fast zwei Monate zuvor, als ein Mistkerl namens Richards in ein Apartmenthaus in der Nähe des Memphis State Campus eindrang, in dem zehn Studentinnen lebten. Die meisten von ihnen waren ausgegangen. Die drei, die zu Hause geblieben waren, wurden seine Opfer. Er fesselte sie mit Elektrokabeln und pendelte von einer zur anderen, hin und zurück. Er drang in sie ein mit seinem Glied, hart wie Stein, berichtete eine, penetrierte sie und ging wieder. Dann nach einer Weile kehrte er zurück. Hatte nie einen Höhepunkt oder schien irgendeine Freude daran zu finden. Am Ende war sein Glied stark blutverschmiert, sagte eine der jungen Frauen, und ich fragte mich die ganze Zeit, ob es wohl mein Blut war oder das von jemand anderem, und auch, was er den anderen angetan hatte.
    Richards hatte seine Kindheit in einer Reihe von Pflegefamilien verbracht, erzählte uns später ein Sozialarbeiter, der als Berater hinzugezogen wurde. Oft wurde er in ein Zimmer gesperrt und ignoriert, mit Essen versorgt, wenn es gerade jemandem einfiel, und ansonsten geschlagen oder missbraucht. Mir blutete das Herz.
    Wie auch immer. Obwohl Richards ein vielbeschäftigter Kerl war, mit einer Reihe von Ladenüberfällen, diversen Wohnungseinbrüchen, Autodiebstahl und Körperverletzungen in seinem Vorstrafenregister, war Vergewaltigung neu für ihn. Wie ein Hund, der Hühner totbeißt, hatte er Blut geleckt. Und es schmeckte ihm offenbar.
    In den folgenden Wochen lernten wir den Campus besser kennen als die Studenten, die dort lebten. Wie Ameisen bei einem Picknick, und fast genauso unauffällig. Richards jedoch schlug das nächste Mal am anderen Ende der Stadt
zu, in einem Schwesternwohnheim, das dem Samariter-Krankenhaus angeschlossen war. Die Schwesternschülerinnen erhielten dort Kost und Logis, hatten eine Hälfte des Tages Unterricht, die übrige Zeit halfen sie im Krankenhaus bei der Pflege der Patienten. Nach etwa einem Jahr Ausbildung hatten sie einen Abschluss als staatliche geprüfte Hilfskrankenschwester. Aus dem ganzen Süden kamen Frauen mit ansonsten geringen oder gar keinen Zukunftsaussichten hierher. An einem Freitagabend gegen neun Uhr tauchte Richards dort auf. Von den fünfzehn Bewohnerinnen waren acht im Dienst und halfen bei der Nachtschicht als Krankenschwestern aus, die sie offiziell ja noch gar nicht waren. Fünf weitere waren zusammen ausgegangen, auf eine Pizza und ins Kino. Sie waren dann auch diejenigen, die anriefen, als sie gegen Mitternacht nach Hause kamen und Mary Elizabeth Walker (Mobile, Alabama) und Sue Ann Simmons (Tupelo, Mississippi) mit Klebeband an ihre Betten gefesselt vorfanden. Es war so viel Klebeband, dass sie wie Mumien aussahen, oder wie Kokons, sagte eine. Mary Elizabeth starrte die Wand an und reagierte nicht, als sie angesprochen wurde. Blut rann aus ihrer Vagina und dem Anus. Sue Simmons antwortete ebenfalls nicht. Sie war tot.
    Wir spürten Richards auf dem üblichen Weg auf, durch einen Informanten. Der Informant lebte in der Nachbarschaft, hing oft in denselben Schnellrestaurants, Billardhallen und Bars ab wie Richards und hegte mit Sicherheit irgendeinen Groll gegen ihn. Immer noch mit nichts weiter in der Hand als Gerüchten und einem Verdacht, überwachten wir Richards rund um die Uhr, aus einem Zivilfahrzeug
vor seinem Apartment. Zwei Tage lang passierte nichts. Wir lernten eine Menge: dass er keinen festen Tagesrhythmus hatte, keinen Besuch empfing und sich ausschließlich von Take-away-Hamburgern ernährte. Am dritten Tag verschwand er.
    Am vierten Tag gingen wir mit einem Hausdurchsuchungsbefehl in seine Wohnung, und alles war genau wie vorher, als wir ohne richterliche Verfügung drin gewesen waren. Überall verteilt lagen Klamotten herum, Toilettenartikel an Ort und Stelle, ein oder zwei Flaschen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten im Bad, jede Menge Senf-, Salz-und Pfeffer-Tütchen auf dem Tresen in der Kochnische, daneben ein Haufen Kleingeld. Er war weg, einfach weg. In Luft aufgelöst. Verschwunden. Niemand hat jemals wieder etwas von ihm gehört oder gesehen.
    Das war der Erste.
    »Ein Fall von Selbstjustiz«, meinte jemand bei der Dienstbesprechung.
    »Der offizielle Standpunkt dieses
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