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TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt
Autoren: L. Sprague de Camp
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eingehämmert, daß keine Kavallerie der Welt eine Speerreihe durchbrechen konnte, aber er hatte es selbst nicht geglaubt – nicht bis zu diesem Augenblick.
    Wenn Johannes ihn jetzt eine Weile in Frieden ließ, konnte er sich ganz der schwierigen Operation widmen, seine ganze Streitmacht über die Brücke zu befördern, ohne dabei die Leute in Gefahr zu bringen.
    Aber Johannes lag dieser Gedanke fern. Zwei weitere Schwadronen galoppierten auf die gotische Kavallerie zu.
    Padway sah nicht genau, was geschah. Die Köpfe seiner Soldaten und der Staub hinderten ihn an der Sicht. Aber dem Lärm nach vermutete er, daß seine Leute zurückgetrieben wurden. Dann galoppierten ein paar Kürassiere auf die Bogenschützen zu und zwangen sie, die Stellung am Ufer aufzugeben. Die Kürassiere spannten ihre Bogen, und ein paar Sekunden flogen Pfeile nach beiden Seiten. Aber die Goten konnten nicht standhalten. Einer nach dem anderen warfen sie sich in den Fluß und schwammen zum anderen Ufer.
    Padway fühlte sich erschöpft.
    Unmittelbar vor ihm kam jetzt seine Schlachtreihe in Unordnung. Wo er gerade noch die Rücken seiner Goten gesehen hatte, tauchten jetzt die braunen Gesichter der Bauern auf. Sie hatten ihre Piken fallen lassen und drängten sich durch die Reihen der gepanzerten Goten. Sie trampelten einfach über Padway hinweg. Er schlug wie wild um sich und fragte sich verzweifelt, wann den nackten Füßen der Italer die Hufe der feindlichen Kavallerie folgen würden. Das italisch-gotische Königreich war besiegt, und all seine Arbeit war umsonst gewesen!
     
    *
     
    Dann hörte der Druck auf, und Padway konnte sich in die Höhe rappeln. Alles blickte verwirrt nach vorne. Die schwere kaiserliche Kavallerie war nicht zu entdecken. Der Staub war so dick, daß man überhaupt nichts sehen konnte.
    „Was ist geschehen?“ schrie Padway. Niemand gab Antwort. Nichts war zu sehen, nur Staub, Staub und nochmals Staub. Ein paar reiterlose Pferde stampften vorbei. Dann tauchte ein Mann auf. Er lief. Als er auf die Speerreihe zukam, sah Padway, daß es ein Lombarde war. Während Padway sich noch fragte, ob es sich um einen Verrückten handelte, der mit bloßen Händen die Armee angreifen wollte, schrie der Mann:
    „Armaio! Gnade!“
    Die Goten sahen einander verblüfft an.
    Jetzt tauchte ein kaiserlicher Kürassier mit einem großen Federbusch am Helm auf und schrie auf lateinisch: „Amicus!“
    Jetzt sah man ganze Kompanien von Kaiserlichen, Germanen, Slaven, Hunnen und Anatoliern, die wirr durcheinander schrien: „Gnade, Freund, Armaio.“
    Ein halbes Dutzend Sprachen hallte durcheinander.
    Ein Schwarm Reiter mit einer gotischen Standarte in der Mitte ritt zwischen den Kaiserlichen hindurch. Padway erkannte eine hochgewachsene braunbärtige Gestalt in ihrer Mitte und krächzte:
    „Belisarius!“
    Der Thraker ritt auf ihn zu, beugte sich herunter und schüttelte ihm die Hand.
    „Martinus! Ich habe Euch mit all dem Staub im Gesicht nicht erkannt. Ich hatte schon Angst, ich sei zu spät gekommen. Wir sind seit der Morgendämmerung geritten. Wir haben sie von hinten angegriffen, mehr brauchten wir nicht zu tun. Wir haben Johannes den Blutigen gefangen, und Euer König Urias ist in Sicherheit. Was sollen wir mit diesen Gefangenen tun? Es sind mindestens zwanzig- oder dreißigtausend.“
    Padway war noch etwas unsicher auf den Beinen.
    „Oh, treibt sie zusammen, und steckt sie in ein Lager. Mir ist das egal. Ich will jetzt schlafen, nichts als schlafen.“

 
17.
     
    „Ja, ich verstehe“, sagte Urias, wieder in Rom. „Kein Mensch kämpft für eine Regierung, an der er keinen Anteil hat. Aber glaubt Ihr wirklich, daß wir all diese Grundbesitzer entschädigen können, deren Sklaven Ihr die Freiheit geben wollt?“
    „Es wird schon irgendwie gehen“, meinte Padway.
    „Es wird sich über Jahre hinziehen. Und diese neueSklavensteuer wird mithelfen.“ Padway erklärte nicht, daß er durch stufenweise Erhöhung dieser Sklavensteuer im Laufe der Zeit die Sklaverei abschaffen wollte. Eine solche Idee würde selbst für Urias im Augenblick zu radikal klingen.
    Urias fuhr fort: „Die Einschränkung der königlichen Macht in dieser neuen Verfassung, die Ihr plant, stört mich nicht. Ich bin Soldat, und ich bin zufrieden, wenn andere die Regierungsgeschäfte führen, aber ich weiß nicht, was der Königliche Rat sagen wird.“
    „Der wird einverstanden sein. Er frißt mir ja jetzt schon praktisch aus der Hand. Ich habe ihm bewiesen,
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