Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt
Autoren: L. Sprague de Camp
Vom Netzwerk:
laut, damit es jeder hören kann. Du mußt es ein paarmal sagen, bis etwas geschieht. Dann läufst du wieder hierher zurück.“
    Priam’ runzelte die Stirn und sah Padway an:
    „Aber der Mann ist nicht mein Vater! Das ist mein Vater!“ Er deutete auf Ajax.
    „Ich weiß. Aber du mußt tun, was ich sage, wenn du dein Geld haben willst.“
    So schob sich der Junge, dicht gefolgt von Dagalaif, durch die Menge. Dann tauchte die Gestalt des kleinen Negerjungen auf der Tribüne auf. Padway hörte ganz deutlich, wie die Kinderstimme „Atta!“ rief.
    Thiudegiskel unterbrach sich mitten im Satz. Priam wiederholte: „Atta! Atta!“
    „Er scheint dich zu kennen!“ schrie eine Stimme aus der Menge.
    Thiudegiskel stand wie erstarrt da und wurde rot. Einige der Goten fingen zu lachen an, und dann schwoll ihr Gelächter zu einem Orkan an.
    Priam rief noch einmal: „Atta!“
    Thiudegiskel griff an sein Schwert und ging auf den Jungen zu. Padways Herz setzte aus.
    Aber Priam sprang von der Tribüne in Dagalaifs Arme, so daß Thiudegiskel nur wütend mit dem Schwert fuchteln konnte. Offenbar schrie er immer wieder:
    „Das ist eine Lüge!“ Padway sah, wie sein Mund sich bewegte, aber das brüllende Gelächter der versammelten Goten übertönte alles.
    „Herr!“ quiekte Priam plötzlich neben Padway. „Wo sind meine zwei Sesterzen? Oh, vielen Dank, Herr. Soll ich noch jemand ,Vater’ nennen, Herr?“

 
15.
     
    „Diese Episode wird Thiudegiskel nicht überleben“, erklärte Padway triumphierend.
    Urias schloß sich dieser Meinung nicht an.
    „Wenn irgend jemand nachforscht, werden sie erfahren, daß Thiudegiskel nur das Opfer eines Betrugs war. Ist dann die Wirkung nicht verloren?“
    „Nein, mein lieber Urias, so denken Wahlmänner nicht. Selbst wenn er seine Unschuld beweist, ist er doch so lächerlich gemacht worden, daß niemand ihn mehr ernst nehmen wird, ganz gleich, was für Verdienste er auch immer besitzen mag.“
    In diesem Augenblick kam ein Soldat hereingestürzt. Er keuchte:
    „Thiu – Thiu – Thiudegiskel …“
    Padway beklagte sich: „Ich werde es noch zum Gesetz erheben, daß Leute, die mich sprechen wollen, draußen warten müssen, bis sie bei Atem sind. Was ist denn, Roderik?“
    Schließlich brachte Roderik es heraus:
    „Thiudegiskel hat Florenz verlassen, Herr. Niemand weiß wohin. Wellimer und ein paar von seinen Freunden sind bei ihm.“
    Padway schickte sofort über den Telegraphen Urias’ Befehl hinaus, der Thiudegiskel seines militärischen Ranges entkleidete. Dann setzte er sich und wartete auf weitere Nachrichten.
    Am nächsten Morgen während des Wahlganges hörte er mehr. Aber das hatte nichts mit Thiudegiskel zu tun. Eine große kaiserliche Armee war von Sizilien aus gelandet, und zwar nicht an der Zehenspitze des italienischen Stiefels, wo man damit gerechnet hatte, sondern an der Küste von Bruttium, bei Vebo. Später kamen weitere Einzelheiten durch. Das Kommando der kaiserlichen Armee führte Johannes, der Blutige, wie man ihn nannte. Sie war fünfzigtausend Mann stark. Offenbär hatte Justinian, den Padways Brief wütend gemacht hatte, in Sizilien eine starke Streitmacht aufgebaut.
    Padway und Urias kalkulierten, daß sie, ohne Truppen aus der Provence und Dalmatien zurückzuziehen, etwa die gleiche Streitmacht aufstellen konnten. Padway begleitete Urias bis Rom. Die Armee wirkte mit dem neu aufgestellten Korps von berittenen Bogenschützen und ihren Batterien von Katapulten äußerst imposant. Aber Padway wußte, daß die neuen Einheiten unerfahren waren und daß die Organisation wahrscheinlich im Ernstfall zusammenbrechen würde.
    Als Urias und die Armee abgezogen waren, blieb Padway für den Augenblick nichts zu tun. So nahm er seine Experimente mit Schießpulver wieder auf.
    Thiudegiskel hatte seine Armee in Kalabrien inzwischen ungehindert erreicht. Den telegraphischen Befehl, der ihn seines Kommandos beraubte, erkannte er nicht an und wiegelte seine Leute dazu auf, es ihm gleichzutun. Padway vermutete richtig, daß die Worte eines geübten Redners – wie Thiudegiskel einer war – bei den meist des Lesens und Schreibens unkundigen Goten viel mehr Gewicht hatten als eine kurze, knappe Nachricht, die über eine ihnen unverständliche Apparatur hereinkam.
    Johannes der Blutige war vorsichtig vorgerückt und hatte erst Consentia erreicht, als Urias sich ihm entgegenstellte. Vielleicht war das vorher mit Thiudegiskel abgesprochen, um Urias weit genug nach Süden zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher