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TS 91: Bis in die Unendlichkeit

TS 91: Bis in die Unendlichkeit

Titel: TS 91: Bis in die Unendlichkeit
Autoren: A. E. van Vogt
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wieder und blieb schließlich wortlos sitzen, ein geheimnisvolles Lächeln auf den Lippen. Nach einer Weile sagte er:
    „Entschuldigen Sie. Ich habe eben erst bemerkt, daß ich Sie die ganze Zeit über kaum zu Wort kommen ließ.“
    Drake lächelte mit höflicher Nachsicht. „Sie waren sehr unterhaltsam.“
    Kellie blieb hartnäckig. „Ich meine damit, daß mir erst jetzt dämmerte, was Sie anfangs sagten – daß Sie nämlich, unter anderem, auch Füllfedern verkauften.“
    Drake zuckte die Achseln. Im stillen fragte er sich, ob er genauso verwirrt dreinsah, wie er sich allmählich zu fühlen begann. Er beobachtete Kellie, als dieser eine Füllfeder hervorzog und sie ihm reichte. Kellie sagte:
    „Kommt Ihnen irgend etwas daran komisch vor?“
    Die Füllfeder war lang, schmal und aus einem dunklen, kostspielig aussehenden Material gefertigt. Drake schraubte langsam die Kappe ab – langsam deshalb, weil ihn der plötzliche Gedanke erfüllte, es stünde ihm jetzt eine jener sinnlosen Debatten über den relativen Wert der von ihm verkauften Produkte bevor. Rasch sagte er:
    „Damit kann meine Firma natürlich nicht konkurrieren. Unsere Füller kosten nur einen Dollar.“
    Noch im selben Augenblick erkannte er, daß er sich eine Blöße gegeben hatte. Kellie sagte mit einer Stimme, in der gelassener Triumph schwang:
    „Das ist genau der Preis, den sie von mir verlangte.“
    „Wer?“
    „Selanie! Das Mädchen, das eben zustieg. In ein paar Minuten wird sie hier auftauchen – mit irgend etwas Neuem. Sie hat immer etwas auf Lager, das völlig neu ist.“
    Er nahm Drake die Füllfeder aus der Hand. „Ich zeige Ihnen, was daran komisch ist.“ Er langte nach einem Papierbecher, der am Fensterbrett stand. Dann sagte er:
    „Nun passen Sie auf!“
    Die Füllfeder kippte um, so daß ihre Spitze in den Becher wies. Kellie schien mit den Fingern auf das obere Ende zu drücken. Tinte begann herauszufließen.
    Nach etwa drei Minuten war der Becher voll bis an den Rand. Kellie öffnete das Fenster und leerte vorsichtig die blaue Flüssigkeit auf den Boden zwischen Wagen und Bahnsteig. Drake erwachte jäh aus seiner Erstarrung.
    „Mein Gott!“ stieß er hervor. „Was für einen Tank haben Sie in dem Ding? Überhaupt, wie …“
    „Warten Sie.“
    Kellies Stimme war gelassen, er selbst aber amüsierte sich derart offensichtlich, daß Drake Mühe hatte, sich zusammenzunehmen. Abermals erfaßte ein Taumel seine Gedanken, als Kellie ein zweites Mal zudrückte und wiederum Tinte aus der phantastischen Füllfeder zu fließen begann. Kellie sagte:
    „Fällt Ihnen etwas an der Tinte auf?“
    Drake wollte schon den Kopf schütteln, dann sagen, die Quantität sei freilich seltsam, zuletzt jedoch stieß er heiser hervor:
    „Rote Tinte!“
    „Oder bevorzugen Sie vielleicht purpurne?“ meinte Kellie gelassen. „Oder gelbe? Oder grüne? Oder violette?“
    Wann immer er die jeweilige Farbe nannte, schoß ein Strahl der gewünschten Tintensorte aus der Füllfeder. Jedesmal drehte er dabei den oberen Teil ganz leicht weiter. Kellie beendete das Schauspiel mit dem triumphierenden Tonfall eines Mannes, der das dramatische Moment einer Situation voll und ganz ausgekostet hat:
    „Hier, wollen Sie es nicht selbst versuchen?“
    Drake nahm das bemerkenswerte Ding in die Hand, so etwa wie ein Juwelier einen unbezahlbaren Brillanten. Wie aus weiter Ferne hörte er Kellie fortfahren:
    „Ihr Vater macht das alles. Er ist ein Genie auf diesem Gebiet. Sie sollten einige von den Sachen sehen, die sie vorigen Monat im Zug verkaufte. Eines schönen Tages wird er zur Besinnung kommen und mit einer groß angelegten Fabrikation beginnen. Wenn es soweit ist, dann können alle Füllfederfirmen und ähnliche Betriebe zusperren.“
    Der Gedanke war Drake auch schon gekommen. Bevor er jedoch seine Überlegungen zu Worten ordnen konnte, wurde ihm die Füllfeder aus der Hand genommen. Kellie beugte sich über den Gang zu einem eleganten, grauhaarigen Herrn, der dort saß. Er sagte:
    „Ich sah Sie die Füllfeder betrachten, Sir, als ich sie meinem Kollegen zeigte. Wollen Sie sie sehen?“
    „Gern“, meinte der Mann.
    Er sprach mit leiser, tiefer Stimme. Seine Finger ergriffen die dargebotene Füllfeder, und damit zerbrach sie.
    „Oh!“ entfuhr es Kellie verblüfft.
    „Entschuldigen Sie vielmals“, sagte der gutaussehende alte Herr. Ein Dollar erschien in seiner Hand. „Meine Schuld. Sie können sich eine andere kaufen, wenn das Mädchen kommt.“
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